Unglücksfälle beim Wegbau, im Militär und durch Schafe

Am 22. Juli verunglückte am Südhange der Churfürsten Johann Linder von Wallenstadt-Berg. Der berggewohnte, zuverlässige Mann war von der Sektion Piz Sol mit der Ausführung einer Weganlage von der Alp Tschingla auf Balis-Niedere betraut worden. Das Unglück geschah an der Stelle, wo der ansteigende Zickzack des Weges westlich dem sogenannten Tännlibach den Fuss der Brisiwand erreicht und den Ursprung der Runs zu überschreiten beginnt. Über die Ursache des Absturzes wussten die zwei Mitarbeiter, deren einer der Sohn des Verunglückten, keine Auskunft geben: «Wir sahen es erst, als er stürzte». Johann Linder war als ausgezeichneter «Gänger» bekannt und holte viele Jahre in dem Gebiet, das der Weg durchfährt, sein Wildheu. Das Unglück an einer Stelle, die in Gangbarkeit für den Mann keine Gefahr bot, ist entweder auf Steinschlag oder ganz unglückliche Hantierung bei der Arbeit zurückzuführen. Hart von dem Unglück sind die Frau und die zwei Söhne getroffen. Für seine Heimat ist der Mann das Opfer einer Idee, die selbstlos nur deren Bestes anstrebt.
(Quelle: Alpina 1902)

Bei einer Besteigung des Hinterrucks (Churfirstenkette) stürzte Oberstlieutenant Schiessli eine steile Schneefläche hinunter und erhielt derartige Verletzungen, dass er ins Thal getragen werden musste. Doch befindet sich der Verunglückte auf dem Weg der Besserung. Über die nähern Umstände des Vorfalls berichtet die «N. Zürch. Ztg.» folgendes: Begünstigt durch das prachtvolle Pfingstwetter unternahm die zurzeit in Walenstadt in Dienst stehende Offiziersschiessschule am Pfingstmontag nachmittag eine Rekognoszierungstour nach der 1536 Meter ü. M. liegenden Alp Tschingla in den Churfirsten. Herr Oberstlieutenant Schiessli setzte in Begleitung zweier Offiziere die Tour fort, den Weg durchs Valzloch traversierend. Noch liegen in den Schrunden dichte Massen Lawinenschnee, noch stürzen fortwährend durch die Stürme des Winters gelöste Steine hernieder und gefährden den Wanderer auf Schritt und Tritt. Auf einer abschüssigen Schneehalde verlor Hr. Schiessli plötzlich den festen Halt unter den Füssen und begann zu rutschen. Über Schnee und Steine ging’s nun wohl 200 Meter abwärts, einer jäh abfallenden Felswand zu. Glücklicherweise verlor Hr. Schiessli seine Geistesgegenwart nicht, und diesem Umstand ist wohl die Verhütung eines noch grösseren Unglücks zu verdanken. Krampfhaft suchte sich der Verunglückte an dem eisigen Grunde anzuklammern, was ihm auch endlich gelang. Er war aber unfähig, sich aus der ungemütlichen Situation zu befreien; es musste Hülfe im Thale gesucht werden. Unterdessen brach die Nacht an! Bange Stunden vergingen nun, bis die ersten Hülfskolonnen von Walenstadt, mit ärztlicher Begleitung – es war schon Montag um die zweite Morgenstunde – eintrafen und dem Verunglückten Hülfe leisten konnten. Der Arzt konstatierte einen komplizierten Beinbruch. Unter ungeheuren Strapazen und mit Überwältigung grosser Schwierigkeiten konnte mit Tagesanbruch der Transport nach der Alp Büls und von dort nach Walenstadt angeordnet und vollzogen werden.
(Quelle: Alpina 1900)

In einen ähnlichen Fall mit Schafen, wie in der vorletzten Nummer der «Alpina» erzählt ist, bin ich vor vielen Jahren auf dem westlichen Leistkamm in der Churfirstengruppe geraten. Ich setzte mich auf der Amdener Seite des Gipfels in den warmen Sonnenschein, um Hunger und Durst mit dem Inhalte des Tornisters zu stillen, während eine kleine Schafherde friedlich neben mir weidete. Neugierig war ich, ob die Tiere auch Zucker frässen und lockte eines herbei. Nach kurzem Beschnuppern war ein Zuckerstück verschwunden, im selben Augenblick aber auch die ganze Herde an und auf mir und ich kopfüber ein Stück weiter unten. Sobald ich mich erheben wollte, kamen die Tiere wieder, und erst längeres, unfreiwilliges Liegen brachte sie dazu, sich entfernend zu grasen. Kriechend holte ich den Tornister und sammelte dessen zerstreuten Inhalt; was noch zu gebrauchen war, hatte ich bald beisammen und hinter einem Steine ein Versteck gefunden, wo sie mich nicht mehr sahen und ich ihre harten Köpfe und Hufe nicht mehr zu spüren bekam.
(Quelle: Alpina 1910)

Wanderstudien: Forellen, Speer und Goggeien, 1867

Die das Toggenburg durchströmende Thur verleiht der Thalstrasse die Eigenthümlichkeit, dass sich dem Wanderer fast bei jeder Krümmung ein neues Tableau entfaltet, mehrere nahe Höhepunkte verschaffen aber die Uebersicht in eine der grösseren Thalmulden und leiten den Blick zugleich auf die formenreiche Bergeinfassung. Ein solcher Höhepunkt ist der Rosenbühl. …

… hat eine künstliche Forellenzucht ins Werk gesetzt, die sowohl von Seiten der culinarischen Aesthetik als vom volkswirthschaftlichen Standpunkt wichtig erscheint. … Der sich steigernden Nachfrage nach Bachforellen soll nun die neue Unternehmung in dem eine Stunde von Ebnat entfernten Steinthal am Fusse des Speer entgegenkommen. …

Auf dem Weg zum Speer hinauf erreicht man, etwa in zwei Stunden von Ebnat aus, eine Alp, welche den Namen Tanzboden führt. …

… Eine Merkwürdigkeit ist bei Krummenau die «Naturbrücke». Wenn man eine kleine Strecke auf der Landstrasse vorwärts gegangen ist, muss man über den Wiesenabhang zu der rauschenden Thur hinabsteigen, welche hier nach einem langen Kampfe mit den ihr im Wege liegenden Felsmassen zu einem seltsamen Compromiss gekommen ist. Sie hat sich unten Bahn gebrochen, das Gestein gesprengt und die scharfen Kanten geglättet, aber einen breiten Felsenrücken über sich gelassen, der eine feste Brücke bildet, welche mit Rasen bedeckt ist, und Tannen und Sträucher umher geben dem Bilde, das ein Bild tausendjähriger Ruhe und rastloser Bewegung zugleich ist, eine ernstschöne Einfassung. …

… Wie von Ebnat, so lässt sich von Nesslau der Speer, den man wohl den Rigi der Ostschweiz genannt hat, unschwer in 3 bis 4 Stunden ersteigen und bei heiterer Luft hat man auf seiner Spitze (1956 M.) eine reiche Aussicht auf den Walensee und ins Glarnerland hinüber, auf einen grossen Theil des Zürichsees, auf das ganze Toggenburg von Wildhaus bis Wyl, in den Thurgau und auf den Bodensee, und die Tirolerberge mit blinkenden Zinnen und Kuppen, das Panorama vom Säntis bis zu den Berneralpen bilden den majestätischen Grenzwall. …

… Ist man eine Weile von Nesslau die bequeme Strasse hinan gegangen, so fasst der Rückblick wieder eine der schönen Thalmulden, in denen die emsigen Toggenburger ihre Wohnsitze konzentrirt und Dörfer gebaut haben, gegen welche manche Städtchen anderer Gegenden ärmlich und unschön sich ausnehmen; wir haben zu unsern Füssen das anmuthige Kirchdorf und in seinem Bereich vom Stockberg bis zum Speer hinüber sind unzählige Hütten an den Bergabhängen und auf den Alpen zerstreut, an denen man erkennt, dass neben der Industrie im Thal die Alpenwirthschaft ihre alte Bedeutung behauptet.

Bald nimmt die Gegend einen andern Charakter an, sie wird einsamer und wilder, schäumend arbeitet sich die Thur aus einer Felsenspalte heraus und stürzt sich über eine jähe Wand; die Bergformen werden kühner und ein rechter Vexirberg ist der Goggeien (5437’), welcher in kurzen Zeiträumen so sehr seine Gestalt verändert, dass man ihn kaum wieder erkennt; bald ist er in seiner Masse breiter, bald schmäler, bald in eine Spitze, bald in eine Kuppe auslaufend; zuletzt erkennt man aber, dass er zwei Hörner hat, welche die Form von Krebsscheeren annehmen.

Das Thal wird enger, wo wir dem Dorfe Stein näher kommen, und überraschend schön ist die Klus, wo zwischen den nahe an einander gerückten Bergwänden die schäumende Thur und die Strasse nur eben Platz haben.

(Quelle: Wanderstudien aus der Schweiz. Erster Band. Von Eduard Osenbrüggen. Fr. Hurter’sche Buchhandlung, Schaffhausen, 1867)

Die Eisenbahn, die mitten im Lande aufhört

Seit Kurzem kann man in bequemer Weise in das Toggenburg eindringen, da eine Eisenbahn von Wyl nach Ebnat in Betrieb gesetzt ist. Der Fusswanderer hat von Ebnat an das schöne an und in der Alpenwelt liegende Ober-Toggenburg vor sich. Hiermit soll aber nicht gesagt sein, die Strecke von Wyl nach Ebnat sei ohne landschaftliche Reize und könne füglich apathisch in dem halbwachen Zustande verträumt werden, in den das Fahren auf der Eisenbahn so leicht versetzt. Man muss unwillkürlich auch auf dieser Strecke oft ausschauen und malerische Eindrücke rasch in sich aufnehmen, überall aber sich freuen über die fruchtbare, grüne, reichlich mit Obstbäumen besetzte Landschaft, deren Anblick denn auch zu der Frage hinführt, wie man dazu gekommen sei, eine Eisenbahn in ein Land hineinzubauen, dessen Bestimmung zur Landwirthschaft und Viehzucht so in die Augen springe, und zwar eine Zweigbahn, welche mitten im Lande plötzlich aufhört? Man wird aber um die Antwort auf diese Frage nicht lange verlegen sein, wenn man bald und immer mehr erkennt, dass im Toggenburg, zumal im Bezirk Neu-Toggenburg mit dem industriellen Hauptort Wattwyl, eine bedeutende, ja grossartige Industrie und Fabrikation sich entwickelt hat, obgleich das Land nicht eine einzige Stadt, sondern in Lichtensteig nur ein Städtchen hat. Es besteht eben die Eigenthümlichkeit Toggenburgs in dem Nebeneinander althergebrachter Bodenkultur und Alpenwirthschaft und der Aneignung der modernen Erfindungen als Mittel für die Industriezweige. Daher denn auch die grosse Verschiedenheit in der Bevölkerung. Eine malerische Erscheinung ist der junge, hübsche Senn in seiner Sonntagstracht, dessen kräftige Brust geziert ist mit dem breiten Messingbande, auf welchem im Relief ein Rind als allgemeines Sennwappen figurirt. Mit seiner Alphütte kontrastirt der Palast des grossen Fabrikanten, der täglich Tausende von Spindeln schnurren lässt, dessen bunte Tücher in einer fernen Zone an dem Busen oder als Kopfputz der jungen japanesischen Maidlis ihre schöne Verwendung finden.

Das Toggenburg, ein Ländchen von 10 Quadratmeilen, hatte bei der letzten Volkszählung (1860) beinahe 50,000 Einwohner, war aber schon vor dem grossen Aufschwung der dortigen Industrie übervölkert zu nennen, insofern die Landwirthschaft und Alpenwirthschaft nicht alle arbeitsfähigen Hände in Anspruch nahm. Es konnte also nur zwischen Auswanderung und Fabrikenbau die Wahl sein; die Toggenburger wählten das Letztere, aber nicht bloss zum Nothbehelf gegen Uebervölkerung, sondern um in der Industrie Grosses zu leisten. Nach einer glaubwürdigen Berechnung kam vor einigen Jahren der achte Theil der Ausfuhr in der Baumwollindustrie der Schweiz auf das Toggenburg. ….

Neujahrsgruss aus dem Toggenburg: Dampflokomotive vor den Churfirsten, Poststempel vom 01.01.1907, vermutlich Vorfreude und Anspielung auf die geplante Bodensee-Toggenburg-Bahn, die 1910 eröffnet wurde. Zeichnung von Ad. Schmid-Rösli, Winterthur. Verlag von A. Sch., Winterthur, Nr. 1369

Die toggenburger Bahn ist eine Zweigbahn der beschienten Heerstrasse von St. Gallen nach Zürich. Sie zweigt sich ab bei der Station unweit Wyl, … Die feierliche Eröffnung der toggenburger Eisenbahn fand statt am 23. Juni 1870. … Ich hatte die Ehre unter den eingeladenen Gästen zu sein, …. Als man sich zur Abfahrt im Bahnhofe versammelt hatte, brauste die nagelneue, bekränzte Lokomotive heran, wie ein stolzes Ross zur Parade. Das Dampfross wurde mit lautem Jubel begrüsst und hatte bald seine Kraft und Ausdauer zu bewähren, denn eine lange Reihe von Waggons trug nicht weniger als 300 Personen. Die Begrüssungsreden an den Stationen von würdigen Pfarrern und weltlichen Standespersonen waren frisch und schwungvoll.

Auf der ganzen Fahrt bis an das Obertoggenburg heran wird man nicht müde, über die Schönheit der Landschaft umher mit ihrem zackigen Felshintergrunde sich zu freuen; aber staunen muss man über den kühnen Brückenbau, durch den an einigen Stellen grosse Schwierigkeiten zu überwinden waren …

eine unabsehbare Menschenmenge, deren Gruppirung eine sehr malerische Erscheinung darbot, denn zu dieser Kopfstation ((Ebnat)) waren auch die Hirten von den Bergen des Obertoggenburgs herabgekommen. Junge Aelpler in ihrer Festtagskleidung, deren Hauptstück die hellrothe Weste ist, trugen ganz neue Milchkübel an der Schulter; alte Sennen hatten ihre beste schwarze Zipfelmütze zur Ehre des Tages aufgesetzt. …

… auch wenn wir über den Bezirk Wattwyls hinaus sind, sehen wir schmucke Häuser und ein reges Leben der Anwohner der Landstrasse, das sich steigert, wo wir sehr bald Kappel und Ebnat erreichen, welche Orte fast so nahe wie Hamburg und Altona an einander stossen. Die beiden Gemeinden gehören schon zum Ober-Toggenburg, wie Karten und Bücher uns belehren, aber der Charakter des toggenburgischen Oberlandes, wie ich ihn in der Vorstellung hatte, beginnt erst hinter Ebnat und potenzirt sich oberhalb Nesslau. …


(Quelle: Wanderstudien aus der Schweiz. Erster Band. Von Eduard Osenbrüggen. Fr. Hurter’sche Buchhandlung, Schaffhausen, 1867)

Der Tanzboden im Sommer und im Winter

Auf dem Weg zum Speer hinauf erreicht man, etwa in zwei Stunden von Ebnat aus, eine Alp, welche den Namen Tanzboden führt. Hier halten aber nicht die Hexen in der Walpurgisnacht ihre Tänze, wie auf der schönen Alp Pardenn im Bündnerlande, sondern jährlich im Juni, am zweiten Sonntag nach der Alpfahrt versammelt sich hier das junge Volk aus dem Toggenburg und der Landschaft Gaster zu einer «Tanzbodenkilbi». Es ist das noch ein Ueberrest der früher in der Schweiz sehr verbreiteten Sitte bei der einfachsten Musik im Freien auf grünem Rasen zu tanzen, aber es soll bei dieser «Tanzbodenkilbi» jetzt nicht mehr so einfach und so ehrbar zugeben als früher. …
(Quelle: Wanderstudien aus der Schweiz. Erster Band. Von Eduard Osenbrüggen. Fr. Hurter’sche Buchhandlung, Schaffhausen, 1867)

… Von Zürich aus erprobte ich auch ein paar kurze Sonntagsskifahrten, die mich mir unbekannte Gebiete sehen liessen. So fuhren wir einmal bei -20 Grad über den Ricken ins Toggenburg nach Ebnat-Kappel. Ein böhmisches Dorf für Sie und doch der Ausgangspunkt für den unvergleichlich schönen «Tanzboden», der den einzigen Fehler hat, dass Sonntags allzu viele Leute (die es nicht immer können) mit ihren Ski auf seinem gar nicht ebenen Boden tanzen und ihn mit ihren Wappenzeichen schmücken. Es gibt aber auch eine andere und ebenso reizvolle Abfahrt. Dass über neunzig Prozent der Sportbegeisterten den gleichen Weg herunterglitten, den sie emporgestapft, war mir wieder ein Beweis mehr für die Wirkungskraft des Herdentriebes. Wir nämlich fanden einen unzerstörten Pulverschnee, der etwas einzigartiges, einmaliges an sich hatte. …
(Quelle: SAC Jahrbuch 1930)

Das prachtvolle Sommerwetter, das endlich mit aller Macht hereinbrach, lockte alle Herzen, die für Alpenluft und Gletschermilch schwärmen, in die Berge. … Die Section Toggenburg machte eine Tour auf den Tanzboden (unter der Spitze des Speeres), wo an diesem Tage die «Tanzbodenchilbi», eine gemüthliche Zusammenkunft der «Ledigen» aus dem Toggenburg und dem Gasterlande abgehalten wird. Tanz, auf einem ebenen Weideplatze, Gesang, Jodel, auch hie und da ein vaterländischer Hosenlupf, sind die Punkte, in denen das urwüchsige Festleben culminirt.
(Quelle: Die Alpenpost 1871)

… die berühmte «Tanzbodenkilbi» auf der aussichtsreichen Alp «Tanzboden» im Gasterlande. Da steigen sie auf zu lichten Höhen, die geweckten Toggenburger und die stämmigen Bursche aus dem Gaster- und Seebezirk mit Sing und Sang und in Begleit ihrer Schönen und Unschönen. Und manch ritterlicher Strauss ist da oben für die Auserkorene schon ausgefochten worden zwischen den Burschen vom Thal der jungen Thur und den Thurwäldern.
(Quelle: Alpenpost 1873)

Der Weg nach Weesen und andere Fundstücke aus der alten Zeit

… Die erste Ortschaft, die wir betreten, ist das Dörfchen Ziegelbrücke, das fast ganz einer einzigen Familie gehört. Grosse Fabriken mit mustergültigen Einrichtungen für die Arbeiter beschäftigen 500 Menschen. ……
Es ist das überhaupt eine Merkwürdigkeit des Walensees, dass derselbe weder auf dem einen noch auf dem andern Ufer eine Strasse hat, so dass, wenn jemand zu Wagen vom untern Ende des Sees ans obere gelangen will, er sich zu einem Umweg von 20 Stunden durch das Gasterland, das ganze obere Toggenburg und das Rheinthal entschliessen muss. …
(Quelle: App. Kalender 1888, “Aus dem schönen Glarnerland”, Autor: Buss, Ernst)

… Die Farth auf dem Zürichsee hat mir nie sehr gefallen. Er ist gegen seine Länge nicht breit genug, und die Ufer haben etwas beengendes, weil da auch das kleinste Plätzchen vermaurt und verzäunt, oder bebaut ist. Hinter Stäfa wird die Aussicht in die Eisberge grösser, romantischer, aber von Schmerikon weg, wird die Natur immer anziehender. Man sieht ihr freyeres Spiel und hölzerne Hüten. Hinter Kaltbrunn kommt man ins grosse Gebierg. Da rauschen die herabströmenden Bäche, durch ausgehöhlte Steinbetten, waldigte Gruppen steigen aus der Tiefe empor, und hohe Wallnussbäume beschatten die Strasse. Weil es heftig regnete, hatten wir uns auf den Wagen des Glarner Boten gesetzt, und wir mussten uns das Vorübereilen der Gegenden gefallen lassen. Der erste Anblick der hintereinander sich schichtenden gewaltigen Berge ergriff mich mit entzückender Begeisterung.Ein Mädchen aus dem Toggenburg setzte sich bey der Ziegelbrücke mit in den Wagen. Sie war ungemein lustig, und gestand sie habe einen kleinen Rausch. Dennoch war alles was sie sagte und that, höchst unbefangen. Sie antwortete auf alle Fragen, wenn sie nur die Antwort wusste, und sie gab, was sie hatte, aber sie nahm auch was man ihr darbot. Auf unsere Bitte sang sie auch. Wir alle freuten uns der herzlichen Unbefangenheit und des frohen Sinnes dieses Naturkindes. O wenn ich dann an die gezierten, verschrobenen Puppen in der grossen Welt dachte! …
(Quelle: Fragmente von Wanderungen in der Schweiz von Carl Grass. Zürich. In Commission bey Heinrich Gessner, 1797.)

… Es ging jedoch, da wir drey robuste Ruderer hatten, sehr schnell, und nach Verlauf einer Stunde kamen wir bey der Stadt Rappersweil vorbey, wo eine Brücke, oder eigentlich nur ein Steg, ohne alles Geländer queer über den See geht. Die Länge der Brücke ist eine Viertel-Meile, und bey starkem Winde ists gefährlich drüber zu gehen, weil die Bretter ganz und gar nicht befestiget sind, und oft ins Wasser herabgeworfen werden. … Jetzt schienen mir die Ufer des Sees nicht mehr so anmuthig, auch bey weitem nicht so angebaut, als unten im Züricher Gebiete. … Als wir über den See hinaus waren, fuhren wir in dem Flusse Linth noch eine ziemliche Strecke hinauf, dessen Wasser sehr trüb und schwärzlicht war. Wir stiegen bey einem Wirthshause aus, welches sie das Schlössli nennen, und in den Canton Schweiz gehört. Gleich beym Hause geht eine Brücke über den Fluss, und in einer kleinen Entfernung liegt das Städtchen Uznach gegen über. Tracht und Sprache ist hier von der Züricher schon merklich unterschieden.Wir dungen hier ein Fuhrwerk mit zwey Rädern und einem Gaule bis nach Wesen, und machten uns am Morgen früh auf den Weg. Unser Gepäck wurde auf den Wagen gelegt, welcher nichts destoweniger zugleich die Reisekutsche der Baronin machte; und so wandelte der Fuhrmann, seinen Gaul an der Hand, voran, und der Baron mit mir neben dem Wagen. Wir kamen bald nach Uznach, welches ein schmutziges, trauriges Städtchen ist. … Meine Augen und Gedanken hafteten indes an den ungeheuren Bergen, die uns ringsum umschlossen. Ich erstaunte und freute mich, jetzt allen den Gegenständen so körperlich nah zu seyn, die ich bisher nur aus Erzählungen und Büchern gekannt hatte. … Auch das einfache Colorit schien etwas beyzutragen, das Erhabene dieses majestätischen Schauplatzes zu vermehren. … Wir gingen eine ziemliche Strecke an dem Ufer der Linth hin, die uns rechter Hand blieb und kamen bey einer bedeckten Brücke vorbey, über welche der Weg ins Glarnerland geht. Links hatten wir schroffe Felsenwände. Gegen Mittag erreichten wir den Flecken Wesen, der an dem einen Ende des Wallenstädter Sees liegt.
(Quelle: „Samuel Gottlieb Bürde’s Reise durch einen Theil der Schweiz und des obern Italiens“. Halberstadt in der Buchhandlung der Grosschen Erben, 1795.)

Wesen. Wirthshäuser: Rössli. Schwerdt. Von hier führt ein Fussweg über den Ammon-Berg in das Toggenburg. – Auf den Ammon-Berg hat man 1. St. zu steigen, und von hier kann man auf die Spitze des Schennisser-Berges gehen; eine kleine Reise, die gewiss intressant ist. …
(Quelle: „Anleitung auf die nützlichste und genussvollste Art in der Schweitz zu reisen“ J. G. Ebel, M.D. Zürich. Bey Orell, Gessner, Füssli und Compagnie, 1793.)

Weesen am Wallensee als Fremden-Pensionsplatz. Selten hat ein Ort in so kurzer Zeit einen solchen Aufschwung als Pensionsplatz gewonnen wie Weesen am freundlichen «Gelände am See». Kaum hatte die Eisenbahn die Schifffahrt verdrängt, erhob sich auf dem herrlichen Punkte oberhalb des Bahnhofes ein komfortables Gasthaus zur Aufnahme der zahlreichen Gäste, die sich gerne da niederliessen, weil sich ihnen beständig das herrlichste Panorama mit den Felsenzinnen des Freibergs, des Glärnisch und Rauti bietet. Dieser unerwartete Fremdenzudrang ermuthigte den genialen Hrn. Architekten Breitinger, den prachtvoll gelegenen Gasthof zum Schwert am See anzukaufen und fast gänzlich umzubauen. … Sitzen wir auf die ausgedehnte Terrasse des Hauses und schauen die Gegend etwas näher an, so fesselt uns zuerst der blaue See mit seinen Gondeln und die in der besten Entwicklung stehenden geschmackvoll angelegten parkartigen Anlagen nächst dem Hotel. Dann blicken wir hinauf nach den Felswänden der Kurfirsten mit dem Bergdorfe Ammon; links am Ufer, durch dessen steinigen Rand Eisenbahntunnel gebohrt sind, durch die das rauchende Dampfross keucht, lächeln uns die Bergdörfer von Kerenzen entgegen, auf die sich in wenigen Stunden die genussreichsten Ausflüge machen lassen. Alles, was Natur und Kunstsinn in so engen Rahmen zu wirken vermögen, vereinigt sich hier auf diesem paradiesischen Fleck Erde. Die in Aussicht stehende Gasthausbaute auf dem Speer wird sicher … noch mehr neue Gäste zuführen.
(Quelle: Die Alpenpost 1872)

Weesen. Durch die projektirte Bahn Ziegelbrücke-Linthal wird Weesen etwas bei Seite gesetzt, allein das wird dem Kurorte keinen Nachtheil bringen; denn die wundervolle Lage, die trefflichen Hotels und Pensionen und das milde Klima bleiben und werden nur eifriger gesucht, je mehr man sie suchen muss. Der Biberlikopf, der schon zur Römerzeit eine wichtige Warte war, wird wohl in nächster Zeit als solche im modernen Sinne auferstehen. Zu Füssen die Bahnhöfe und die Stätten der Industrie und Bildung, dann nach 3 Seiten hin der Blick in 3 ganz verschiedene Thäler und rings das imposante Alpenpanorama – das dürfte den Spekulationsgeist zur Errichtung eines «Grand Hotel Biberlikopf» wach rufen.
(Quelle: Alpenpost 1873)

…Quinten. Diese auch aus zerstreueten Häusern bestehende Pfarre liegt an der mitternächtigen Seite des Wallen-Sees in steynichten Gebirgen.…Auf Ammon, auch Amden. Ein hoher, aber gar angenehmer Berg, auf der mitternächtigen Seite des Wallen-Sees. Auf dem Berg liegt die Gemeine und volkreiche Pfarre Ammon. Sie ist wol auf eine halbe Stunde über den See erhöht, auch von Felsen fast eingezäunt, durch welche an vielen Orten der Weg gesprengt und ausgehauen ist; dennoch liegt die Gemeine gar sonnenreich, hat auch einen sehr guten Wieswachs.… Wesen. Er ist dermalen ein offener Fleken, welcher der Ueberschwemmung des aufschwellenden Sees vielfältig ausgesezt ist. Denn bey Wesen ist derselbe ziemlich erhöhet; bey der Ziegel-Brüke aber wird der Abfluss des Wassers stark gehemmt. Dieser nachtheilige Umstand verursachet in dem Fleken viele Krankheiten; auch in den Gebäuden und den Habseligkeiten der Einwohner bemerket man von Jahren zu Jahren einen starken Verfall, ungeachtet dass alle nach Italien durch Bündten gehende und zurükgeführte Kaufmanns-Güter hier durchgeschift werden. …Es ist nicht selten, dass durch den Fleken zur Frühlings- und Sommers-Zeit mit Brettern und Stägen Weg und Pass muss gemacht werden. In den Jahren 1762 und 1764 stuhnd der Fleken so sehr unter Wasser, dass man aus den Schiffen in die Wohnstuben der Häuser, welche doch ein Stokwerk erhöht sind, hineinsteigen konnte.… Die Einwohner des Flekens ernähren sich von der Schiffahrt, der Fischerey und der Wirthschaft, wegen dem täglich starken Durchpass. Auf dem Berg halten sie eine gute Viehzucht, die daran liegenden Alpen sind einträglich, die Ebene aber an Obst reich. Um den Fleken ist etwas Weinwachs, theils in der Ebne, theils aber an sonnenreichen Halden. Man legt hier die Weinreben in Bogen, und pflanzt unter denselben Gras.
(Quelle: Genaue und vollständige Staats- und Erd-Beschreibung der ganzen Helvetischen Eidgenossschaft, derselben gemeinen Herrschaften und zugewandten Orten. Erster Band, Zürich, bey Orell, Gessner und Compagnie. 1765. Daraus: Die Landvogtey Gaster. Von Johann Conrad Fäsi)

Weesen liegt wunderlieblich am See nahe dem Ausfluss der Linth. Der Blick, der sich uns hier aufthut auf den ernsten, stillen, rings von Bergen umschlossenen See mit seinen steilen Ufern, zur Rechten die senkrechten Felswände des Kerenzerberges mit dem schlanken, trotzig kühnen Mürtschenstock darüber, zur Linken der schön geschnittene, zackige Leistkamm, im Hintergrund der gezahnte Gipfelkranz der Alviergruppe, gehört zum Malerischsten und Reizvollsten, was es in der ganzen Schweiz zu sehen gibt. … Spaziergänge unter den Anlagen am See, durch das östlich gelegene, mit Häusern und Villen besäete, fruchtbare Gelände «Fly», durch lauschige Buchenwälder und von Bächen durchrauschten Schluchten bieten eine unerschöpfliche Fülle der anmutigsten Motive. … Wahrlich ein bevorzugtes Fleckchen Erde. …
Der See bietet Gelegenheit zu Bädern (Badhäuschen), zur Angelfischerei, die den Fremden gestattet ist, und zu Kahnfahrten, wofür im Hafen beständig Gondeln bereit liegen. Interessant ist die Fahrt mit dem vermittelst Elektrizität betriebenen Accumulatorenboot Electra, das mit der Schnelligkeit eines Dampfers glatt und geräuschlos über die Wasserfläche gleitet und den Fremden zur Verfügung steht. …
Spaziergänge: … durch schattigen Waldpark auf den das Fly überragenden Kapfenberg, der auf zwei verschiedenen Punkten einen wundervollen Überblick über den See und die ganze Gegend gewährt (25 Min., eigentümliche Felsformationen, die sogen. Geissstube, Überreste einer Burg). Nach der in senkrechte Felswände eingehauenen, äusserst romantischen und aussichtsreichen Amdener Strasse (bis zum Kapellchen 1 Std.) und von da auf guter Poststrasse oder über einen Treppenweg nach dem hoch auf muldenförmiger Bergterrasse gelegenen sonnigen Pfarrdorf Amden (939m, von Weesen 2 Std., prächtige Schlucht, herrliche Aussicht, Gasthäuser). Auf den Biberlikopf (1/2 Std., Ruhebänke).
Bergtouren: 1. Über Bützalp und Alp Oberkäsern, wo einfaches Berghotel, auf den Speer (1954m, 4 Std.), den Rigi der Ostschweiz, mit grossartiger Fernsicht bis zum Bodensee und vom Finsteraarhorn bis zur Albulakette. Bequeme Tour. 2. Über den Amdenerberg ins Toggenburg. Passhöhe 1541m. Bis Nesslau 6-7 Std. Herrliche Aussicht. 3. Auf den Leistkamm (2105m, von Amden 4 Std.)
(Quelle: Führer für Glarnerland und Walensee. Dr. Ernst Buss. Glarus 1897)

Wegverbesserungen und Hütten am Speer

… An der Frühjahrsversammlung im Jahre 1871 in Ebnat wurde die Kommission um vier Mitglieder erweitert, um die Zugangswege zum Speer und zum Säntis zu prüfen. Auf den Speer führte bereits ein notdürftiges Weglein. Ammann, Aktuar, meldete im Sommer 1872, dass die Ausbesserung des Ebnater Weges von den Ortsvereinigungen in Ebnat übernommen, dass aber der Wunsch geäussert worden sei, dass der Alpenklub die Wegverbesserung von der Bütz auf den Gipfel übernehme und dass sich unsere Sektion beim S. A. C. um Subventionierung für eine allfällige Erstellung einer Schirmhütte am Speer verwenden möchte. Diese Anregung ist aber bald wieder fallen gelassen worden. Sowohl von Ebnat, wie von Nesslau aus, wurden an den Zugangswegen bis zur Bütz Signalstangen aufgestellt, so dass jeweilen von einer Stange aus die nächstfolgende gesehen werden konnte. Von der Bütz an aufwärts wurde der Weg ausgebessert und teilweise neu erstellt.
Nachdem die Gemeinde Weesen auf der Südseite einen guten Weg erstellt hatte und auf der Alp Oberkäsern im Jahre 1872 eine Wirtschaft gebaut worden war, da glaubten auch die Toggenburger dem Beispiele folgen zu sollen. Auf Anregung der Gemeinnützigen Gesellschaft in Ebnat-Kappel wurde im Jahre 1874 die Bildung einer Aktiengesellschaft angestrebt, die die nötigen Mittel zum Bau eines Kurhauses oder wenigstens einer Wirtschaft am Speer aufbringen sollte. Auch unsere Sektion wurde begrüsst, könne sie auch finanziell nichts leisten, so sei ihr Einfluss doch so stark, um die Mitglieder zur Uebernahme von Aktien zu bewegen. Das Protokoll gibt darüber folgende vielsagende Auskunft: Nesslau und Neu St. Johann wünschen den Bau im Gebiete der Herrenalp, in Ebnat-Kappel möchte man ihn auf der Bütz oder in Elisiten.» Der Plan ist nicht zur Ausführung gelangt. Unsere Sektion hat sich aber auch weiterhin der Speerwege angenommen, obschon sie finanziell nicht mehr viel leisten konnte. In den späteren Jahren sind durch die Gemeinden und Korporationen bessere Wege erstellt worden. Dass aber der beabsichtigte Bau unterblieb, wird wohl heute noch manchen Speerverehrer freuen.
(Quelle: Geschichte der Sektion Toggenburg S. A. C. 1870-1920, Denkschrift zur Feier des 50-jähringen Bestehens. Verfasst von J. Näf, Lichtensteig. 1920)

Den Besuchern des Speeres wird es nicht unlieb sein zu vernehmen, dass bei der Alphütte «Oberkäsern» durch einen Anbau ein bescheidenes Gasthaus entstanden ist, in dem nächstens neun Betten zur Verfügung stehen.
(Quelle: Die Alpenpost 1871)

Speer. Dieser Rigi der Ostschweiz soll auf nächstes Jahr von Ebnat aus einen guten Weg erhalten; die dortige «freie Gesellschaft» nimmt die Sache an die Hand.
(Quelle: Die Alpenpost 1872)

Weesen. Hier hält man in erfreulicher Weise mit dem Zeitgeiste Schritt. Die Arbeiten an der Promenade nehmen den besten Fortgang und rücken ihrer Vollendung entgegen. Dadurch ist für die Verschönerung Weesens ein Hauptwerk geschehen, allein das schönere und wichtigere folgt nach und hat durch den rühmlichen Gemeindsbeschluss vom letzten Sonntag die Weihe erhalten: Die Gemeinde gibt einer zu bildenden Aktiengesellschaft die Concession für die Dauer von 10 Jahren zur Betreibung einer Wirthschaft auf der Alp Oberkäsern am Speer; sie betheiligt sich selbst dabei mit 10 Aktien à Fr. 100. Im Ganzen sollen 100 Aktien à Fr. 100 aufgenommen und daraus 40 Betten in dem neuen Anbau und dem langen Zimmer der Alphütte Oberkäsern eingerichtet werden. Der Weg von Weesen bis zu dieser Hütte wird auf Gemeindskosten verbessert, die Strecke Oberkäsern-Speer durch die Gesellschaft erstellt. Für die Betreibung der Speerwirthschaft wird ein tüchtiger Wirth gesucht. Die ganze Angelegenheit wird sofort energisch an die Hand genommen. Der Rigi der Ostschweiz kommt also endlich zu seinem Rechte. Bravo, ihr Gemeindsbürger von Weesen! Ihr versteht den Ruf der Zeit. Wir zweifeln nicht, dass euch der nächste Sommer schon die Früchte euerer Bestrebungen geniessen lassen wird. Nun, ihr Toggenburger, Hand geboten! Wege verbessert! Dann muss das Werk gelingen und zum Segen für beide Thäler werden! Oder sollte euer Argonautenzug vom letzten Winter keine wohlthätigen Folgen in sich getragen haben?
(Quelle: Die Alpenpost 1872)

Ein achtzigjähriger Bergsteiger. Es ist als eine grosse Seltenheit und der öffentlichen Erwähnung werth, dass Herr Josua Rüdlinger, …, am 21. Juli den Speer und 4 Tage später, den 25. Juli, den Säntis bestieg. Der muntere alte Toggenburger hatte gehört, dass auf der Speer- und Säntisspitze und an den Bergwegen geebnet und gebaut worden sei; da trieb ihn der «Gwünder», die Verbesserungen noch selbst in Augenschein zu nehmen, und als ehemaliger Aelpler wollte er wieder einmal frische Alpenluft athmen und Gottes schöne Welt von oben her betrachten. Damit man aber nicht ungläubig den Kopf schüttle und sage: «Ei, warum nicht gar, wie sollte ein 82jähriger Mann noch solche Berge und in so rascher Aufeinanderfolge besteigen!» so hat Hr. Rüdlinger sich die Sache gehörig bescheinigen lassen, wie folgt:
«Josua Rüdlinger, 82 Jahr alt, von St. Gallen, kam von Ebnat auf den Speer; fröhlich und munter kehrte er in der Wirthschaft Oberkäsern (unterhalb der Speerspitze) ein. Oberkäsern, den 21. Juli 1873. Die Speer-Wirthschaft.
Und Nr. 2 lautet: «Säntis-Spitze, den 25. Juli 1873. Morgens 8 Uhr kam Josua Rüdlinger in bestem Zustande über Schafberg-Alp von Wildhaus hier an, was ihm auf seinen Wunsch bezeugt: C. W. Stein, Apotheker in St. Gallen, dato auf dem Säntis zur Erstellung der neuen Pyramide.
(Quelle: Alpenpost 1873)

Weesen. Hier darf man mit den Ergebnissen der Saison sehr zufrieden sein, besonders auch, was den Besuch des ostschweizerischen Rigi, des Speers, betrifft, zu dessen Frequenz die renomirte Wirthschaft auf Oberkäsern redlich das ihrige beitrug. …
(Quelle: Alpenpost 1873)

Speer: Auf Oberkäsern am Speer hat man beim Ausgraben des neuen Alpweges Steinkohlen gefunden und zwar mehrere Zentner. Man hofft, ein baufähiges Lager abdecken zu können. Heute soll die Gemeinde Wesen einen Kredit zu weitern Grabungen bewilligen. Glückauf!
(Quelle: Alpenpost 1873)

Weesen. Die Gemeinde beschloss letzten Sonntag, die jüngst entdeckten Steinkohlenlager am Speer, die bereits an der Oberfläche eine Mächtigkeit von 8 Zoll bis 1 ½ Fuss zeigen, durch Geologen untersuchen und die Aufdeckungsarbeiten fortsetzen zu lassen. Die Qualität der Speerkohlen soll eine vorzügliche sein; sie wurde bereits auf Lokomotiven erprobt. Wir hoffen, bald günstige Resultate über die Mächtigkeit der Kohlenschicht mittheilen zu können, zumal die Arbeiten bei dem neuerdings hübschen Herbstwetter gefördert werden können.
(Quelle: Alpenpost 1873)

Die Thurbrücke und die überraschende Aussicht vom Speer

Der Wanderer in unsern Schweizer Alpenthälern wird unstreitig auch von mancher Ansicht durch das Thurthal von Neu St. Johann der Thur nach hinab angezogen werden. Rechts sind ihm die westlichen Absenkungen des Säntis und links der Fuss des Speeres sichtbar. Die Thur selbst muss sich da durch manch engen Pfad hindurch arbeiten. Merkwürdig wird es dem Naturfreund, wie sich die Thur oberhalb von Krummenau einen Pass unter einem Felsen durchgearbeitet hat, eine natürliche Brücke bildend. … Die Thur arbeitet sich tobend und rauschend unter einem breiten Felsen durch, auf dessen Rücken Tannen, Gesträuche, Gräser und Kräuter wachsen, so dass, wer nicht durch das Geräusch des wilden Wassers aufmerksam gemacht wird, es kaum beobachten würde, dass hier die Natur sich ein solches Wunder bereitet hat.

Die Naturbrücke. Aus: Schweizerische Ansichten aufgenommen im Osten und Norden unsers Vaterlandes. Von Johann Baptist Isenring, Landschaftsmaler. Lütisburg im Toggenburg, 1825. Erste Sammlung: Thurgegenden.

Unter dem Dorfe Krummenau, das auf dem rechten Ufer der Thur an dem sogenannten Wintersberge anlehnt, öffnet sich das Thal in eine schöne fruchtbare Ebene. Die Thur nimmt hier einen sanftern Lauf und fängt an sich schlängelnd durch das Thalgelände zu winden. Ihr Lauf ist hier nordwestlich gerichtet und nimmt auf dem linken Ufer den Steinenbach auf, welcher an dem nördlichen Fusse des Speeres entspringt und östlich zwischen engen Schluchten durch das enge, doch noch ziemlich bewohnte Steinthal sich windet.

… Schade, dass sich Bergreisende nicht mehr bemühen, die von Ebnat an äusserst anziehende Reise auf den Speer und die überraschende Aussicht daselbst allgemeiner bekannt zu machen. Der rühmlichst bekannte sel. Herr Escher von der Linth zog sie in einiger Beziehung derjenigen auf dem Rigi, und Herr Dr. Ebel der Säntis-Aussicht vor. In drey Stunden ist der Gipfel von Ebnat erstiegen. Diese einzige gefährliche Stelle des Weges wäre, nach Versicherung mehrerer dort bekannte Alpenwanderer, leicht zu beschwichtigen.

(Quelle: Schweizerische Ansichten aufgenommen im Osten und Norden unsers Vaterlandes. Von Johann Baptist Isenring, Landschaftsmaler. Lütisburg im Toggenburg, 1825. Erste Sammlung: Thurgegenden. Eine Sammlung malerischer Landschaften an und in der Nähe der Thur. Mit naturhistorischen, geschichtlichen und geographischen Erklärungen und Bemerkungen)

Sagen über die Amdener Höhe, 1903

Der Amdener Jauchzer.
Zwischen den Leuten von Amden und Stein herrschte jahrelang ein erbitterter Streit wegen der Grenze am Gulmen. Die Hirten von hüben und drüben, wie auch die Jäger und Beerensammler lagen sich oft in den Haaren, und mancher der Streitenden trug sogar einen blutenden Kopf mit nach Hause. Alle gütlichen Verhandlungen der Gemeindehäupter führten zu keinem Resultat. Endlich kam man überein, ein Grenzlauf sollte den Handel zum Austrag bringen. An einem bestimmten Tag sollten die Läufer zu gleicher Zeit von Amden und Stein abgehen, und da, wo sie zusammentreffen würden, sollte die Grenze gesetzt werden.
Der Amdener aber wurde eidbrüchig, ging eine halbe Stunde zu früh ab und erreichte darum die Wasserscheide zuerst. Durch einen «höllischen» Jauchzer verkündete er den errungenen Sieg und lief dann weiter talwärts. Am rauschenden Dürrenbach stiessen die beiden Läufer zusammen. Dem Steiner blieb der Betrug zwar nicht verborgen; er erhob heftige Einsprache. Doch der Gegner beteuerte, er stehe auf Amdener Grund und Boden; er hatte nämlich betrügerischerweise Erde aus seinem Garten in die Schuhe geschüttet! So wurden die Toggenburger überlistet und betrogen.
Aber Unrecht findet den Knecht! In stürmischen Nächten hört man oben auf der Bergeinsattelung heute noch ein unheimliches Jauchzen, und alles Volk weiss, was dieses zu bedeuten hat. (H. Brunner)

Wer vollbringt’s?
Ein jüngerer Mann, Viehhändler von Beruf, ging einst den holperigen Weg von Nesslau nach Amden hinüber. Auf der Passhöhe machte er eine kurze Rast und erquickte sich durch einen Imbiss. Plötzlich gewahrte er zwischen zwei jungen Tännchen eine Jungfrau, deren Antlitz mit einem weissen Tüchlein verhüllt war. Sie schluchzte laut. Bange Besorgnis und innigstes Mitleid für dies leidende menschliche Wesen durchzog sein Gemüt. Hatte es sich in dieser Wildnis verirrt, oder war ihm sonst ein Unfall zugestossen? Er näherte sich der Betrübten und erkundigte sich nach der Ursache ihres Erscheinens. Nun vernahm er, eine unglückliche Seele sei schon seit Jahrhunderten an diese Stelle gebannt, müsse alle hundert Jahre hier am Orte ihrer Missetat erscheinen, bis ein glücklicher Zufall sie erlösen würde.
Dieser Zeitpunkt war eben jetzt wieder gekommen. Die Jungfrau bat ihn flehentlich, er soll ihr beistehen. Morgen werde sie ihm nicht mehr in ihrer jetzigen Gestalt erscheinen, und wenn er den Mut habe, sie zu küssen, so würde ihre Seele Frieden finden; er aber würde ein reicher Mann und könnte mit den herrlichsten Schätzen heimkehren. Der Mann versprach ihr, er werde das Möglichste zu ihrer Erlösung tun. In einer benachbarten Sennhütte verbrachte er die Nacht, ohne dem Sennen sein Herz zu eröffnen. Sein nach den verheissenen Schätzen lüsterner Sinn versetzte ihn bald ins Zauberreich der Träume, aus denen er erst erwachte, als die blendende Sonnenscheibe sich zwischen Hinterruck und Schafberg erhob und ihn zum Aufbruch mahnte. Er ging hinaus an den bestimmten Ort. Bald hörte er im dürren Laube etwas rascheln. Es war eine Schlange, die ihn mit funkelnden Augen anschaute und nach ihm züngelte und zischte. Ihm graute, als er das Tier küssen sollte. Darüber verstrich der kostbare Augenblick; die Schlange verschwand mit einem Seufzer. Er war wohl der Klageruf der Jungfrau. Aber nicht lange ging’s, so erschien eine hässliche Kröte. Er hob sie vom Boden auf; aber sie wurde so schwer, dass er sie fallen lassen musste. Er kniet nieder, um sie zu küssen. Aber das Blut in den Adern erstarrte ihm, als das Ungeheuer sein grosses Maul öffnete und er in einen wahren Höllenrachen sah, aus dem tausend Blitze ihn anspieen. Auch die Kröte verschwand, und vor ihm stand ein schmächtiges Männlein auf schlanken Ziegenfüssen, mit Hörnern und kralligen Händen. Der Nesslauer erschrack und ergriff die Flucht.
Bald sind 100 Jahre seither verflossen. Die Jungfrau wird also nächstens wiederkehren. Wer will hinaufgehen und sie erlösen? (H. Brunner)

(Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen. Von J. Kuoni. St. Gallen, 1903)

Der Speer mit Pferden erstiegen 1871

Vorletzten Sonntag wurde der Speer zum ersten Male mit Pferden erstiegen. Diese bei äusserst schlechten, schmalen Wegen nicht ungefährliche Tour wurde unternommen von einer Gesellschaft Norddeutscher (Kurgäste im Gasthof zum Speer in Weesen), bestehend aus zwei Herren und zwei Damen unter der bewährten Führung des Pferdehalters Dürst von Diesbach (Glarus) und Wegführers Hämmerli von Weesen. Die ganze Reise sei ohne Unfall abgelaufen und die unternehmungslustige Gesellschaft Abends wieder wohlgemuth und höchst befriedigt über die prachtvolle Tour in ihrem Quartiere angelangt.

Die diesjährige Saison am Wallensee lässt sich nachträglich noch gut an und erfreut sich namentlich Weesen eines starken Fremdenbesuches. Die beiden Gasthöfe «Schwert» und «Speer», ausgezeichnet gehalten und geführt durch die Familie Ziltener, sind angefüllt.

(Quelle: Die Alpenpost 1871)

Überfall durch eine Toggenburger Horde 1872

Toggenburg, Section S. A. C. Das sind Mannen, diese Toggenburger Alpenklübler! Die weihen das neue Jahr durch Thaten ein, die ihnen nicht jeder nachmacht und die wirklich noch nie dagewesen, Thaten, durch welche sie ganze Landestheile in Aufregung bringen.
Den 3. Januar hörten Mittags die Bewohner des Bergdorfes Amden (hoch ob dem Wallensee) plötzlich gewaltiges Glockengeschell und Pferdegewieher, Kettengerassel und Halloh aus den Alpen her. Ist’s Wodan auf seinem Ritt durch die Lüfte? Ist es der Friesen wüthend Heer? Was soll der grelle Pfiff, der immer lauter herniederdringt aus den heitern Höhen, was deuten die flatternden Fahnen? Alles schaut fragend nach dem Gebirgskamm. Da rauscht es heran, umhüllt von dichten Schneestaubwirbeln und siehe? Es sind 33 Toggenburger Alpenclubisten, jauchzend und musizirend, auf den Hüten das grüne Fichtenreis; auf 12 Schlitten, mit kräftigen Gäulen bespannt, zogen sie über den hohen Gebirgskamm zwischen dem Obertoggenburg und Amden, wo noch nie ein Schlitten gefahren, ja kaum je ein Saumthier gegangen. Morgens vor Tagesanbruch waren sie in Nesslau aufgebrochen und hatten während des Vormittags nicht ohne Anstrengung bei dem tiefen Schnee den Berg erklettert und überschritten; jetzt fahren sie nach Weesen zum Mittagessen. Ross und Mann sind munter; dem 72jährigen Musikus und den Harlekins im Gewande bourbakkischer Moblots ist der Humor auf der gewaltigen Gebirgstour nicht eingefroren. Aber wie wollen sie den Weg durch die Felswände ob dem Walensee nach Weesen machen?
Auch diese Strecke wird glücklich zurückgelegt; denn der nervige Arm eines Obertoggenburgers hält das ermüdetste Pferd vor dem Sturz in die Tiefe.
In Weesen die gleiche Aufregung bei der fremdartigen Erscheinung. Man wills nicht glauben und doch sieht man’s vor Augen!
Und horch! Nachdem die Gesellschaft sich etwas gestärkt, ertönt schon wieder der Lauterbacher; es juckt den Abenteurern in allen Gliedern; Ermüdung und Frost sind vergessen und mit Eifer drehen sich die munteren Paare nach dem lustigen Dreitakt des Picolo-Handharmonika-Orchesters.
Um 3 ½ Uhr fuhren sie ab nach der Heimat über Schännis, Hummelwald, Wattwyl etc. und kamen wohl erst gegen Morgen von ihrem 20stündigen kalten, abenteuerlichen Ritt um den Speer wieder dort an, um dem glücklich ausgeführten Bravourstück durch einen glänzenden Ball gleich noch die Krone aufzusetzen.
Den Weesenern und Amdenern ist’s aber heute, als wären sie eben von einem seltsamen Traume erwacht.
Und nun, Ihr Abenteurer vom Speer! erzählt den Alpenpostlesern die Erlebnisse Eurer Winterexpedition! Sie werden Euch Dank wissen!
(Quelle: Die Alpenpost 1872)

Toggenburg. Der abenteuerliche Alpenübergang der Obertoggenburger Alpenklübler trägt schon die gute Frucht, dass einer Alpenstrasse Weesen-Amden-Neu St. Johann mit Fortsetzung ins Appenzellerland warm das Wort geredet wird.
(Quelle: Die Alpenpost 1872)

… Auch an gelegentlichen Seitensprüngen fehlte es nicht. So veranstalteten einige Alpenklubisten aus den Gemeinden Nesslau-Krummenau im Winter 1872 bei hohem Schnee eine Schlittenfahrt über die Amdenerhöhe nach Amden. Die Amdener waren höchlich erstaunt, als am Morgen Pferdegeschell vom Strichboden her ihnen die Ankunft der Schlittenfahrer ankündigte.
(Quelle: Geschichte der Sektion Toggenburg S. A. C. 1870-1920, Denkschrift zur Feier des 50-jähringen Bestehens. Verfasst von J. Näf, Lichtensteig. 1920)