Die Anfänge des Skisports am Flumserberg

Der Schneeschuh (Ski) in der Form, wie er für unser Terrain, dessen Konfiguration derjenigen in Norwegen sehr ähnlich ist, passt, ist der sog. Christiania-Schuh (Telemarker-Gruppe), der aus einer Holzschiene (am besten Eschenholz) besteht, die 2-2,4 m lang und 7-10 cm breit ist. Vorn breiter als hinten wirkt die aufgebogene Spitze schneepflugähnlich, so dass der hintere Teil frei passieren kann. Da beim Fahren der Schuh flach und gleichmässig aufliegen soll, ist derselbe nach oben gebogen, am stärksten in der Mitte, wo auch die Dicke bereits 3 cm erreicht, während vorn und hinten 8-10 mm Stärke genügen. Auf der Gleitfläche ist eine Führungsrinne eingeschnitten. Ungefähr in der Mitte wird der Schuh durch starkes Riemenzeug festgeschnallt.
Die Erlernung des Laufens ist nicht schwierig, jedenfalls nicht mühsamer als beim Schlittschuhlaufen. Man beginnt auf flachem Boden, indem man die Schuhe nicht hebt, sondern parallel so dicht als möglich nebeneinander vorgleiten lässt. Durch elastischen Stoss rutscht man so vorwärts, indem beim Vorschieben des einen Beines das andere entlastet wird und zu neuem Stosse ausholt. Durch ziemliche Übung wird man „Gefühl“ in die Schneeschuhe bringen, d.h. in regelmässigen Schwingungen über eine Ebene fortkommen.
(Quelle: Christof Iselin: Praktische Ergebnisse des Schneeschuhlaufens in den Glarnerbergen im Winter 1892/93. Alpina 1893, S. 60)

Den Stock benütze man nicht zu viel, sondern strenge die Beinmuskeln an. Hauptzweck des Stabes ist Lenken und Bremsen. Ein systematisches Durchführen der ersten Übungen und genaues Beobachten der Regeln wird sich rasch lohnen. An die Übungen in ebenem Terrain schliesst sich die Fahrt von Abhängen herab an. Allzusteile Hänge sind zu vermeiden, da die Geschwindigkeit leicht zu gross wird. Die Hauptregel beim Abfahren ist: „Schuhe“ fest aneinander, Kniee gebogen, einen Fuss vorgeschoben, Oberkörper vorgeneigt.
Beim Bergaufwärtsfahren werden Hänge bis 15° durch einfaches Fortgleiten wie in der Ebene genommen, doch meist in ansteigenden Kurven oder im Zickzack; – oder aber bei grösserer Steilheit, indem man aufwärts stampft oder seitwärts treppenartig emporsteigt.
Besondere Übung bedarf das Springen; da dasselbe jedoch ausschliesslich sportlicher Natur ist, trete ich heute darauf nicht ein.
Sind so die Grundelemente eingeübt, so können, ein dem Skilauf eigener Reiz, grössere Ausflüge gemacht werden, im Gegensatz zum Schlittschuhlaufen. Dabei ist der Skiläufer gezwungen, seine eigenen Wege zu gehen: auf die Sommerpfade nicht mehr achtend, sucht er stets möglichst offenes Terrain, dessen Schneedecke intakt geblieben, auf, um mit Musse den Anstieg in bequem ansteigenden Kurven zu zerlegen.
(Quelle: Christof Iselin: Praktische Ergebnisse des Schneeschuhlaufens in den Glarnerbergen im Winter 1892/93. Alpina 1893, S. 60)

Skifahren, dieser neue Sport, gehört auch in das Gebiet der Alpinistik. Die Skier (norwegische Schneeschuhe) ermöglichen es, auch in der kalten Jahreszeit selbst hohe Gipfel zu besteigen oder lange Gebirgspässe zu befahren. Große, flachere Strecken durchläuft der Ski in relativ kurzer Zeit.
Wie man sich bis jetzt für Wintertouren im Hochgebirge verschiedener Sorten von Schneereifen, kanadischen Schneeschuhen etc. bedient hat, ist auch der Ski ein neues Mittel das Einsinken in den Schnee zu verhindern, nur mit dem Unterschiede, daß er gleitet, während die ersteren gehoben werden.
Sollen wir uns dieses Mittels begeben? Ist nicht der wahre Alpenclubist auch zur Winterszeit zu allen Thaten bereit? Versetzen wir uns zurück an einen klaren Wintermorgen. Hoher Schnee bedeckt Berg und Thal. Wenn dann das Gold der Morgensonne von den höchsten Spitzen winkt und sich allmählich herabsenkt in den Tannenwald, ruft eine innere Stimme: Oh, könnte ich doch hinauf aus dem düstern Thale in den glänzenden Sonnenschein, wo Herz und Blick sich weiten!
Um die praktische Verwendbarkeit der Ski im Gebirge klarzulegen, skizziere ich kurz die Fahrt von Matt (Sernfthal) nach Flums, deren Längenprofil in den verschiedensten Gefällen variiert. ….
Am 2. Januar 1897 trafen in den Winkelhütten (1520 m) im Krauchthal acht Mitglieder der Sektion Tödi S.A.C. zusammen, die mit Skiern und Bremsstöcken bewaffnet in ihrer nordischen Ausrüstung und Kleidung einen fast komischen Anblick boten. …
Das Wetter war wunderbar klar; kalt blies der Wind vom Spitzmeilen herunter. Die Schneelage zum Fahren war ausgezeichnet, staubig und dicht. Schon von Unter-Rieseten an leisteten die Skier gute Dienste. Mühsam arbeitete sich der uns begleitende Träger (der Decken für das Nachtquartier hatte) durch den meterhohen Schnee bis an die Brust einsinkend, während wir ohne Anstrengung, kaum 10 Centimeter einfallend, das Terrain durchfurchten. …
Aufbruch am 3. Januar 7 Uhr 30 Min. Wetter wundervoll. Temperatur -15° Celsius. Richtung Werbenhütten zu hinterst im Thale. Einer hinter dem andern schleifend, sind wir schon um 8 Uhr bei der Vereinigung der Quellbäche und orientieren uns für den Aufstieg ins Stäfeli. Der Sommerweg ist zu steil, führt durch kleine Couloirs und ist lawinengefährlich. Der Skiläufer benötigt bequemen Anstieg, nicht zu steile, möglichst breite, nicht coupierte Fläche, um große Zickzacklinien ziehen zu können. … 36 Kehren waren nötig, um sich auf diese Höhe (400 Meter ob der Thalsohle) emporzuschrauben. Die Steigung der Bahn betrug durchschnittlich 15°, beim Seitwärtstreten bis 35°. Von Wichtigkeit ist es, das Kehren der Skier an einen möglichst ebenen Platz zu verlegen; dadurch werden die Beinmuskeln geschont. …
Doch vorwärts! Noch steht ein weiter Weg bevor. Das Angenehmste, die Abfahrt, in Minuten hinabzusausen frisch und keck, wo im Sommer halbe Stunden nötig sind, ist ein herrliches Vergnügen, das alle Mühen des Aufstieges vergessen macht.
In 10 Minuten sind wir schon drüben am Ostende der gleich hohen Schönegg, dann im Fluge hinab zu dem Hüttendörfchen Fursch (1734 m). … Die Abfahrt nach Fursch ist so herrlich, daß wir nochmals ein großes Stück emporsteigen, um ein zweites Mal hinabzusausen. Die von Karrenlöchern sonst stark coupierten Plateaus des Madseeli und von Bell waren vom Föhnschneesturm fast ausgeebnet worden. Wunderliche Trichter hatten sich durch den wirbelnden Schnee ausgebildet; der Vorfahrer mußte wohl aufpassen, nicht hineinzugeraten. Gwächten von einigen Metern Dicke krönten die Abstürze, auch da war große Vorsicht am Platze. Die Schneehöhe im Mittel betrug 1,2 bis 2 Meter.
Den kleinen Aufstieg zu den Banüölhütten spüren wir ordentlich in den Beinen. Nach ¼ Stunde ist er überwunden und um 2 Uhr stärken wir uns vor den stattlichen Gebäuden sitzend, allen guten Vorsätzen zum Trotz, mit Veltliner. …
3 Uhr Abfahrt nach Prod (1570 m), links und rechts vom Sommerweg abweichend, Serpentinen ziehend, den hochstämmigen Tannenwald durchstreifend, über Steine und kleine Absätze hinwegspringend wie Gemsen.
Prod, das wäre der richtige Ort für eine Skiläuferkolonie. Auf den flachen Alpen sich herumzutummeln, die entzückende Rundsicht vor Augen, wäre ein Hochgenuß. In schönen Proportionen steigt das Silvrettagebirge empor, Kätikou und Hochwang dienen ihm als Piedestal. Dieses scharf perspektivisch wirkende Bild werden wir nie vergessen, coulissenartig schieben sich die einzelnen Ketten hintereinander und bauen sich zugleich amphitheatralisch bis zum Piz Buin auf.
Da blieben wir, bis die hereinbrechende Nacht uns zwang, Abschied zu nehmen. Auf den Skiern sitzend, ging’s in lustiger Fahrt nach Flums, von wo wir noch gleichen Abends per Dampf zu unsern Penaten gelangten.
Die befahrene Strecke von Winkel bis Flums mißt rund 30 Kilometer. Wir brauchten also, 2 ½ Stunden Rast abgerechnet, 9 Stunden, gewiß eine hübsche Leistung, wenn man noch berücksichtigt, daß einer der Teilnehmer noch Anfänger im Skifahren war und seine häufigen Purzelbäume uns zwangen, oft zu warten.
Geübte Skiläufer werden (ohne Rast) 6 Stunden brauchen, 4 für den Aufstieg und 2 für die Abfahrt. Wer aber genießen will, kommt unter 9 Stunden nicht weg.
Die Erfahrungen aus dieser ((und anderen ausgeführten Touren)) sind sehr mannigfaltige. Ich will versuchen, dieselben in einige kurze Sätze und Winke zusammenzustellen.
1) Der norwegische Schneeschuh (Ski) eignet sich gut für die flachern Teile des Hochgebirges, als Alpenweiden, Paßübergänge, Firnfelder etc.; das Terrain soll offen, nicht coupiert und nicht zu stark accentuiert sein.
2) Mit großem Kraftaufwand können auch steile Hänge im Zickzack oder durch Seitwärtstreten genommen werden. Schneereifen sind hier im Durchschnitt vorzuziehen. Mit den Skiern soll nicht geklettert werden.
3) Vor Antreten einer Gebirgstour soll die Beschaffenheit der Schneelage bekannt sein. Bei ganz durchweichtem Schnee hat man Grundlawinen, bei trockenem, staubigem Schnee, der mit dem hartgefrorenen Boden nicht verbunden ist, Staublawinen zu befürchten oder kann solche durch sein Gewicht verursachen. Nach Schneefall muß man 1 bis 2 Tage mindestens warten, bis sich der Schnee konsolidiert hat. Die beste und sicherste Bahn giebt die mit dem Boden fest verbundene (angefrorene) Schicht, auf der eine Lage staubigen Schnees von 10-20 Centimeter liegt. Harter Schnee taugt gar nichts, der Aufstieg ist sehr mühsam, die Abfahrt gefährlich.
4) Die Ausrüstung soll sich auf das notwendigste beschränken. Der Skiläufer soll sich nicht zum Träger erniedrigen. Wollene Kleider mit Reserve sind zu empfehlen. Als Fußbekleidung haben sich die russischen Gummischneeschuhe, die über die andern Schuhe angezogen werden, sehr bewährt. Ein 2 Meter langer Bambusstock mit Stahlscheibe ist notwendig.
Ich hoffe, dass diese Aufschlüsse manchem Club- und Skigefährten willkommen sein werden. Der Skilauf, dieser herrliche neue Sport, erschliesst uns das Gebirge auch im Winter; er wird für die Mitglieder des S.A.C. eine neue Ära von Thaten eröffnen und in düsterer Jahreszeit fröhliche Gedanken wecken.
(Quelle: Jahrbuch SAC Band 32 1896)

Geheuer ist es nicht mehr am Berg
Dieses Jahr [1903] brachte eine ganz entscheidende Wendung in das Leben der Sektion. Schon vor drei Jahren hatte Herr Hch. Spoerry an einer Hauptversammlung ein Paar lange, schmale, an der Spitze aufgebogene Bretter vorgezeigt und den staunenden Bergkameraden erklärt, solche Hölzer, Ski genannt, würden in Schweden und Norwegen dazu benützt, um rasch und sicher durch tiefen, unwegsamen Schnee zu fahren. Er selber möchte die Sache auch hier ausprobieren, und er sei überzeugt davon, dass mit diesen Brettern die Möglichkeit bestehe, sogar im tiefen Winter Bergbesteigungen durchzuführen. Es scheint aber, dass die Piz Söler dem neuen Fortbewegungsmittel kein grosses Vertrauen entgegenbrachten, wenigstens ist aus den Protokollen nichts von Kursen und Skiinstruktoren zu ersehen. Ein alter Wildschütz aber erzählte mir was folgt: „In einer kalten Winternacht lauerte ich, in meinem Gaden unterhalb der Molseralp, auf einen alten Fuchs. Doch der wollte und wollte nicht zum Vorschein kommen. Mit kalten Händen und Füssen wartend, murmelte ich etwas von „der Tüfel solls holen“ und im gleichen Augenblick schoss eine, nein zwei, drei, tiefvermummte, mächtige schwarze Schatten werfende, unheimliche Gestalten in höllischem Tempo, sodass der tiefe Pulverschnee weit zur Seite gefegt wurde, direkt auf mein Versteck zu. Die Haare standen mir zu Berg, und über meinen Buckel lief es heiss und kalt. Schon glaubte ich, auf der Vordiele das Klappern von Hufen zu vernehmen, und jeden Augenblick erwartete ich den glühenden Griff des „Gottseibeiuns“ im Genick. Aber alles war still. Nach schlafloser, angstgepeinigter Nacht traute ich mich im ersten Morgengrauen heim. Bei der Tschudiwiese sah ich wieder etwas Unerklärliches. Am steilen Hang kreuzten sich drei Fährten, wie Schlittenspuren, aber ganz eng beisammen, und manchmal war ein tiefes Loch im Schnee. Und an der Bergstrasse hörte der ganze Spuk auf. Geheuer ist es nicht mehr am Berg.“
(Quelle: Hans Müller: 75 Jahre Sektion Piz Sol SAC 1873-1948, Festschrift, S. 20)

Der Skisport hat seine Berechtigung, wie kaum einer, in idealer, gesundheitlicher und praktischer Beziehung und wer sich ihm ergeben, bleibt ihm treu. Bei tiefem Schnee, unter dem alle Widerwärtigkeiten des Terrains, Stock und Stein und Sumpf, verschwinden, bei stärkender Winterluft, von Hitze und Schweiss und Staub unbelästigt, mit viel weniger Anstrengung als im Sommer die höchsten Pässe zu überwinden, ja die obersten Gipfel zu erreichen, die im Winter wunderbar reine, oft wolkenlose Aussicht zu geniessen und nachher fast mühelos in sanftem, sausendem Flug zu Tale zu schweben, ist das eine Lebenslust, ein Impuls zum Leben und Schaffen!
(Quelle: Johann Baptist Stoop: Zur Clubhütte beim Spitzmeilen. In: Alpina 1903, S. 132)

Im Winter ist der Piz Sol ein Skiberg idealster Art. Die in alpinen Kreisen hoch angesehene Abfahrt vom Fusse des Piz Sol-Gipfels über den Piz Sol-Gletscher und über den Wildsee, desgleichen die Abfahrt vom Wangsersee über die Gaffia nach Wangs suchen ihresgleichen. Diese beiden Abfahrten waren es auch, die dem Piz Sol unter den Skifahrern der Ostschweiz und selbst Süddeutschlands so viele Freunde und Bewunderer werben.
(Quelle: W. Wirth in: Alpina 1915, S. 236)

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