Konfusion bei der Namensgebung

Vom Sichelkamm zum Faulfirst

Der Leser erwarte hier nicht etwa die Schilderung einer Gratwanderung vom Sichelkamm bis zum Faulfirst; die wird wohl jeder unterbleiben lassen. Es handelt sich um einige Notizen über Namen und Höhenangaben in jenem von Touristen selten besuchten Gebiete. Wenn ich dabei zu einigen Bemerkungen der Herren Blodig und Stoop Stellung nehme, so geschieht dies keineswegs, um mich in die zwischen den genannten Herren bestehende Meinungsdifferenz zu mischen, sondern allein im Interesse der Sache. Dass ich überhaupt das Wort ergreife, mag seine Entschuldigung darin finden, dass mir jene Gegend während meines 4 ½ jährigen Aufenthaltes in dem, am Fuss des Gebirges gelegenen Grabs lieb und vertraut geworden ist, wenn auch nicht durch kühne Klettertouren, so doch durch zahlreiche Ausflüge.

Die Karten grösseren Massstabes, die uns für dieses Gebiet zur Verfügung stehen, sind folgende:
1. Eschmannsche Karte des Kantons St. Gallen, 1:25,000
2. Blatt IX der Dufourkarte, 1: 100,000
3. Blatt Bludenz und Vaduz der österreichischen Generalstabskarte, 1:75,000
4. Übersichtsplan der Ortsgemeinde Grabs von Ingenieur Sulser, 1:10,000

Die Kantonskarte von Eschmann …, ein für die damalige Zeit (1840-46) treffliches Werk, enthält im Gebiet der Grabser Alpen hinsichtlich der Namen und Höhen so viele Fehler, dass ihre Brauchbarkeit dadurch beeinträchtigt wird. Ihre Angaben wurden meist unverändert in die Dufourkarte hinübergenommen, und so kam es, dass in die letztere auch einige Kapitalböcke wanderten. Ich sehe daher in den vergleichenden Bemerkungen der ältern Nomenklatur mit der durch die spätere Revision festgestellten, von der Dufourkarte, wie auch von der österreichischen Generalstabskarte im allgemeinen ganz ab und greife auf Eschmann zurück.

Die Specialkarte von Sulser, deren Zweck hauptsächlich die Ermittlung des Wald- und Weideareals der Genossengemeinde Grabs war, enthält bei ihrem grossen Massstab manche willkommene Details. Leider sind die Privatalpen nicht aufgenommen, und da auch Sisiz eine solche ist, so fehlt das sehr interessante und jedenfalls am wenigsten bekannte Gebiet vom Sichelberg bis zum Faulfirst.

Das gewichtigste Wort hätte natürlich das Siegfriedblatt Bärschis zu sprechen. Allein wie man weiss, ist dieses mit unendlicher Sehnsucht erwartete Blatt noch immer nicht erschienen. Herr Stoop in Flums, der jene Gebirgspartie sehr genau kennt, ist indessen in den Besitz einer Heliogravure des nun zum Stich vorbereiteten Blattes gelangt und hat mir dieselbe in freundlicher Weise zur Einsicht zugestellt. Mein verehrter Clubgenosse wird es mir nicht übel nehmen, wenn ich, bezugnehmend auf seinen Artikel in Nr. 8 der Alpina, über einige Punkte meine etwas abweichende Ansicht äussere. Der Kürze wegen möge die Eschmannsche Karte mit E., Blatt Bärschis (Siegfried) mit B. bezeichnet werden.

Herr Stoop ist nicht damit einverstanden, dass das Wort Sichelkamm auf B. als Gruppenname mehrere Gipfel, darunter auch den hohen Gemsberg umfassend, so sehr hervorgehoben ist. Auch ich hätte lieber eine andere Darstellung gesehen; aber die auf B. gebotene als unbegründet zu erklären, vermag ich nicht.

Der wahre Sichelkamm, der eigentlich allein die Ehre haben sollte, diesen Namen zu führen, ist ohne allen Zweifel jener Berg, an dessen Südwestabsturz gegen Wallenstadt die bekannten, so auffallenden Bogen (Sicheln) den Blick auf sich ziehen, indem das Schichtsystem der Kreide vom Neocom bis zum Seewerkalk auf sich selbst zurückgebogen ist. Aber diese schönen Sicheln sind auf der Grabserseite nicht sichtbar, und die Grabser nennen den Berg nicht Sichelkamm, sondern Schönplangg, obschon letzterer Name ursprünglich gewiss keinen Gipfel bedeutete. E. und B. haben die Bezeichnung der Grabser acceptiert und den Punkt 2271 Schönplank, resp. Schönplangg genannt.

Ferner kann ich versichern, dass in Grabs der ganze Zug vom Schönplangg weg bis zum Sichelberg eben recht oft einfach Sichelkamm genannt wird, namentlich von solchen, die sich um die Namen der einzelnen Gipfel nicht kümmern. In diesem Sinne wäre also hauptsächlich der hohe Gemsberg darunter verstanden. Ich möchte dieser Auffassung nicht das Wort reden und würde sie am liebsten verschwinden sehen. Sie ist mir aber öfters entgegengetreten, zuletzt noch vor wenigen Wochen, und dass sie thatsächlich vorhanden ist, darauf deutet doch wohl auch der Umstand hin, dass E. seinen höchsten Punkt des Gemsberges (2385 m) geradezu als Sichelkamm bezeichnet, während sein «Gamsberg» eine untergeordnete Rolle spielt. (Vergl. auch die Sulsersche Karte mit Sichelkamm als Guppenname).

Wo zwei Thäler durch ein Gebirge von bedeutender relativer Erhebung geschieden werden, da haben wir oft für die Punkte des trennenden Hauptgrates auf beiden Seiten verschiedene Namen. … Es wäre am richtigsten gewesen, den Punkt 2271 Schönplangg-Sichelkamm zu nennen und Sichelkamm als Gruppennamen wegzulassen. Ich stehe mit dieser Ansicht nicht allein. Ingenieur Simon hat derselben auf dem Alvier-Panorama Ausdruck gegeben.

Herr Stoop hält sich auch darüber auf, dass der Name Gamsberg in «Gemsberg» verdeutscht worden sei. Ich halte dafür, dass dem topographischen Bureau die Tendenz, gute Dialektnamen in Schriftdeutsch umzusetzen, nicht vorgeworfen werden kann. Auf der Nordseite ist eben «Gemsberg» faktisch gebräuchlich. Der Bewohner des Seez-Wallenseethales nennt die Gemse «Gamstier», wie der Bündner; der Grabser aber nennt sie «Gems» und den Berg, der von seinem Gemsenreichtum den Namen hat, «Gemsberg», und dies um so eher, als er in seinen Alpen noch einen «Gamsberg» hat, der nichts anders ist als der Gamserruck der Karte. Er unterscheidet zwischen Gemsberg und Gamsberg und aus diesem Grunde ziehe ich die erstere Bezeichnung für unsern Gipfelkamm vor. Auch die Sulsersche Karte giebt diesen Unterschied wieder. Natürlich hat diese Frage nur nebensächliche Bedeutung.

Scharf auseinander zu halten sind Sichelkamm und Sichelberg. Der Sichelberg, auch etwa Sichli genannt, liegt viel weiter östlich und ist vom Tresterkopf-Gemsberg durch den tiefen Einschnitt «Zwischen den Bergen» getrennt. Der letztere, sehr gute Name, den ich auch auf die Scharte 2161 des Hauptgrates angewendet wissen möchte, zu welcher das Trümmerthälchen hinaufführt, fehlt leider auf B. Es ist jene Scharte, von welcher aus Dr. Blodig im Jahr 1890 seinen ersten erfolglosen Versuch machte. Ob der Sichelberg von einigen Biegungen in den Neocomschichten seines Westabsturzes den Namen hat, kann ich nicht entscheiden. B. bringt ihn durchaus am richtigen Orte.

Glanenkopf und Rothenstein giebt E. ganz falsch an, d.h. er vertauscht sie geradezu. B. bringt nun den Glanenkopf durchaus an der richtigen Stelle. Es ist dies jener Gipfel, den man, was freilich die wenigsten Grabser wissen, von der Gegend der Grabser Kirche aus im Hintergrunde über dem Verbindungsgrat von Margelkopf und Tossen hervorgucken sieht, namentlich dann, wenn das trotzige Köpfchen schon beschneit ist, während der mehrere 100 m niedrigere Vordergrund noch keinen Schnee trägt.

Der Name Rothenstein kommt mir noch immer verdächtig vor. Ich habe denselben, trotz mehrfacher Erkundigung, in Grabs nie zu hören bekommen. B. bringt ihn nördlich vom Sichelberg, eben da, wo E. den Glanenkopf hatte. Der Schäfer in Sisiz, den ich nach dem Namen dieses Punktes fragte, antwortete mir: «Er heisst eben auch Sichelberg». In der That ist er nur ein Ausläufer desselben.

Der Punkt 2337, den E. total falsch als Faulfirst bezeichnete, ist nichts anderes als der Rosswies, wohl zu unterscheiden von einem andern nördlich vom Margelkopf gelegenen Rosswies. B. stellt die Sache nun richtig, wie ich aus persönlicher Nachfrage an Ort und Stelle weiss. Übrigens kannte schon Arnold Escher von der Linth den Namen Rosswies.

Den kleinen Faulfirst lässt E. als Punkt 2397 namenlos. Den wirklichen grossen Faulfrist bezeichnet er als Gärtlisegg mit der Zahl 2413 und erhebt durch diesen fatalen Fehler die ziemlich unbekannte Gärtlisegg zum höchsten Gipfel des ganzen Gebirges.

Vom Juni 1874 datiert der Vertrag des Kantons St. Gallen mit der Eidgenossenschaft betreffs Triangulation und Revision. Die Höhenzahlen stimmen nun auch nicht mehr mit E., und zwar sind sie für die höhern Gipfel meistens etwas reduziert worden. …

(Quelle: Alpina 1894. Von A. Ludwig, Sektion St. Gallen)

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Allerlei über die St. Galler Freiberge und das Blatt Berschis.

In der Abhandlung «Vom Sichelkamm zum Faulfirst» hat unser Herr Clubgenosse Ludwig einige helle Streiflichter geworfen auf das Centralgebiet der St. Galler Freiberge, über das bisher auf den Karten und in der Clubistenwelt unglaubliches Dunkel und Unwissen herrschte. Wer etwa meint, über dieses Gebiet bei den Wildhütern der Freiberge zuverlässige Auskunft zu erhalten, täuscht sich sehr. Diese Staatsangestellten versteigen sich weder in der Theorie noch in der Praxis in diese Höhen.

Bekanntlich warten wir auch schon seit vielen Jahren auf die topographische Karte von diesem Gebiet, nämlich auf die definitive Ausgabe des Blattes Berschis.

Berschis oder Bärschis? Urkundlich 1253 Bersinz, 1437 Berschis, 1458 Bersis. Allgemeine bisherige Schreibart, sowie Poststempel Berschis.

Die provisorische Ausgabe des Blattes Berschis weist noch verschiedene uns bekannte und wahrscheinlich noch mehr uns unbekannte Mängel und Fehler auf, welche in der endlichen Ausgabe nicht mehr vorkommen werden. Dann sind wir für das lange Warten entschädigt. So gehört z. B. der charakteristische Namen Tristenkolben zu Punkt 2179, nicht zu 2201. Der Pass zwischen Lüsis und Schlewiz heisst Niedere, nicht Hohe Niedere. Spizol, nicht Pizol heisst die Weide auf Schlewiz. Sichelkamm ist nicht ein Gruppenname analog Kurfürsten, nicht Churfirsten oder Curfirsten oder Kuhfirsten, wie der Volksmund und Nationalrat Geel überzeugend darthun. Sichelkamm ist der Berg mit den bekannten, weithin sichtbaren mächtigen Sicheln, die auch auf Bildern, z. B. auf dem Reklametableau des Glarner Verkehrsvereins vom bekannten Künstler Joachim Knobel, ja sogar auf der Karte deutlich bemerkbar sind. Gipfelpunkte des Sichelkamm sind 2130 und 2271. Schönplank ist kein Gipfel, sondern eine der vielen Rasenhalden am Sichelkamm, wie Falkla, Gassen, Schafzaun u. a. Der Sichelkamm geht vom Sattel Culms bis zum Einschnitt Kalttäli.

Gamsberg oder Gemsberg? Gamsberg ist alt, Gemsberg neu. Escher und Mösch reden vom «gewaltigen Gamsberg». Eschmann und Dufour schreiben Gamsberg. Auf unserer südlichen Seite erfordern Dialekt und ausnahmsloser Sprachgebrauch Gamsberg. Der Grabser Herr Major Hilty spricht und schreibt konsequent Gamsberg. Herr Reallehrer Rohrer in Buchs hält Gamsberg für richtig. Das topographische Bureau schreibt selbst wieder Gamsberg. Warum Gemsberg? Um einer Verwechslung vorzubeugen mit dem scheint’s auch Gamsberg genannten Gamsruck, auf den Kaiserruck, nicht Käserruck oder Käsernruck, und Hinterruck folgen. Die Alp Gams und Gamsruck haben mit dem Dorf Gams nichts zu thun. Auch eine Ableitung von campus = Feld ist unwahrscheinlich. Wenn der Grabser Dialekt wirklich Gems verlangt, sollen sie den ganz auf ihrem Gebiet liegenden Gamsruck Gemsberg statt Gamsberg heissen, uns dagegen die unsere Landschaft beherrschenden Sichelkamm und Gamsberg lassen.

Die Höhenangaben des Gamsberg schwanken für den gleichen, weder höchsten, noch zweithöchsten, noch dritthöchsten Gipfel desselben von 2368 – 2402. Es wundert uns, was endlich bleibt.

Tresterkopf gehört nicht zu Punkt 2340 (2344), sondern ist nur etwa 2000 m, auf der Sulserkarte richtig.

Sichelberg. Auch Herr Ludwig scheint sich dem Verdacht nicht verschliessen zu können, dieser Name könnte vom Sichelkamm über das Thälchen zwischen den Bergen herüber entlehnt sein, und dieser Verdacht wird fast zur Gewissheit, wenn auf Simons Alvierpanorama die leibhaftige Rosswies sich unverfroren und hofrecht als Sichelkamm ausgiebt, und zwar als echter Sichelkamm im Gegensatz zum quasi Pseudo-Schönplank-Sichelkamm. Wenn sich die mächtigen Felsensicheln nur auch so transportieren liessen. Ich möchte östlich vom Kalttäli weder von einem Sichelberg, noch von einem Sichelkamm, noch von einem Sichli oder Sichler etwas wissen. Ein Grabser bezeichnete mir sämtliche Berge, die er nicht kannte, prompt als Sichelkette.

Die Rosswies kann auch von Süden von der Weide Notz aus bestiegen werden.

Rotenstein. Dieser Herr scheint ewig zu schwanken. Eschmann und Dufour setzten ihn in den Besitz des schönen Felsenkopfes östlich Sisiz. Die neuen Topographen haben ihn auf den Pseudo-Glanenkopf verbannt. Auch da findet er keine Ruh und will weggesichelt werden. Die drei oder vier Spitzen zwischen Rosswies und Kleinfaulfirst scheinen noch ungetauft zu sein. Wie ich vermute, ist darunter eine unbestiegene. Notzberger und Guli heissen zwei, wollte mich einer belehren, dem ich aber nicht halb traue, weil er ein bekannter Lateiner ist.

Die Spitze des Kleinfaulfirst habe ich im Sommer direkt von Süden bestiegen, nicht gerade jedem zu empfehlen. Dagegen erschien mir der Aufstieg von der Schneezunge auf der Berschner Alp Malun, zwischen Gross- und Kleinfaulfirst im Morgenlicht viel gemütlicher als 1882 mein erster Abstieg nach Sonnenuntergang.

Der Grosse Faulfirst ist ein prächtiger Berg. Wie ich selber beobachtete, und wie mir Herr Ludwig bestätigte, wird der höchste Gipfel desselben lange nicht von allen Besuchern erstiegen. In einer Felsnische, westlich am Gipfel, war eine Flasche ohne Inschriften. An der Ostseite des Gipfels sind viele Edelweiss. Die Aussicht, sowohl ins Gebirge als namentlich in die umliegenden Thäler und Ortschaften und das schweizerische Mittelland, ist eine unerwartet schönere, als auf dem Alvier mit seiner Clubhütte. Nach einem breiten Intervall folgen die Gärtliköpfe, welche einen langen, scharfen Grat bilden. Ausserordentlich interessant ist der Südabhang der Gärtliköpfe; die Gärtli, eine grosse Anzahl steiler, mannigfaltiger Rasenplanken mit reicher Flora, worunter Alpenrosen und Edelweiss nebeneinander, in der That Gärtli. Der Abstieg durch die Gärtli auf Malun ist nicht schwierig, erfordert immerhin bei dem starken Gefäll, 500 m auf 400 m, Vorsicht und Furchtlosigkeit.

Nach einem neuen, dem tiefsten Einschnitt zwischen Sichelkamm und Lagauschla, erhebt sich der Krummenstein, auf dem Alvierpanorama merkwürdigerweise Malun genannt. Der Krummenstein ist der niedrigste Gipfel östlich vom Sichelkamm und wird deshalb selten bestiegen. Der folgende Einschnitt, Alfredsloch, wird hie und da von Palfries oder Malun aus als Aufstieg zum Alvier oder als Abstieg passiert und bietet im Winter eine prächtige Rutschbahn. Der eigentliche Weg von Palfries auf den Alvier geht bekanntlich weiter östlich durch das Kamin hinauf. Die letzte Erhebung dieser stolzen Kette ist Lagauschla, reich an Edelweiss. Lagauschla ist nicht identisch mit Kammegg, wie Blatt Berschis angiebt.

Die untere Alpenterrasse weist gegen das Sarganserland noch einige hübsche Erker auf, von denen Gunza und Tschugga die besuchtesten sind.

(Quelle Alpina 1894 von J. B. Stoop, Sektion Alvier)

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Aus dem Gebiet des «Blatt Bärschis» T. A. 256.

Nordöstlich vom Seezthal, der eigentümlichen Verbindung von Rhein- und Linthgebiet, erheben sich hohe Felsen, von Wald, Wiesen und Geröllhalden unterbrochen. Weisse Wasserfälle rauschen, besonders im Frühling, über gewaltige Wände ins Thal hernieder, von denen Ragnatscherbach, vordere und hintere Schreia, Milchbach und Berschnerbach sich durch Schönheit, Höhe und Fülle auszeichnen. Das ist der «untere Berg» mit seinen Erkern Cunza (Gonze T. A. entspricht weder der Phonetik noch der Etymologie von cunes, Grube, Erzgrube), Tschucca, Ronaberg, Spitzbühl, Strahleck, Älplikopf und Furclakopf. Auf diesem untern Berg breiten sich in weiter Terrasse die Alpen Balfris, Castilun, Malun und Sennis aus. Darüber erhebt sich der «obere Berg», eine vielgestaltige Kette mit den Gipfeln La Gauschla (La Gauschla, ältere Form; jetzige Generation spricht meistens die Gauschla), Alvier, Krummenstein, Gärtli, grosser Faulfirst, kleiner Faulfirst, Punkt 2305, Rosswies, Sichli, Gamsberg, Scheffberg, Sichelkamm. Von diesen ist allbekannt der Alvier wegen seiner schönen Aussicht und leichten Zugänglichkeit. Von Norden und Süden sind Wege erstellt worden. Auf seiner Höhe steht die am 30. Juli 1876 mit grosser Begeisterung eingeweihte Clubhütte, die eine Zeit lang sogar bewirtschaftet, aber schon 15 Jahre später vom S.A.C. als unnötig aufgegeben und vom Alvier-Club Werdenberg übernommen wurde. 1879 zeichnete Ingenieur-Topograph Simon im Auftrage der Sektion Alvier des S.A.C. ein grosses und schönes Alvierpanorama. Die übrigen Gipfel westlich vom Alvier, obwohl einige erheblich höher und auch in der Aussicht nicht nachstehend, blieben unbekannte Grössen, unbestimmt und unbekannt sogar dem Namen und der Höhe nach. Die Angaben in Karten und Literatur weisen hierüber so viele Widersprüche unter sich und mit der Wirklichkeit auf, wie für kein anderes Gebiet der Schweiz. Vergl. Karten von Eschmann, Dufour, Sulser, Simon, Siegfried. Selbst von Clubisten waren diese Gipfel so wenig gekannt und besucht, dass im Jahre 1891 (siehe Ö.A.Z. Nr. 344) Dr. Blodig Anspruch machte auf die „Erstbesteigung” des „gewaltigen Gamsberg”, wie ihn Mösch ohne Ironie nennt. Auch der grosse Faulfirst galt als ein schwieriger Berg; nur wenige rühmten sich, das Grätchen vor dem Gipfel überschritten zu haben. Besteigungen von der Südseite galten als unmöglich. Nur Jägern waren die Südabhänge der Gärtli, der Rosswies und des Gamsberg durch den faulen Gang bekannt. 1881 stieg ich vom grossen Faulfirst auf Malun ab, 1891 machte ich den Gamsberg mit L. Pfiffner und Th. Dulla zweimal vom Scheff, Abstieg östlich ins Thäli „zwischen den Bergen”, 1894 mit Dr. Haffter durch den faulen Gang, 1895 mit Spoerry durch die Kluft in der Westwand, 1894 und 1895 mit Dr. Haffter und Ingenieur Hardmeier über Goldloch und Felsenfenster, 1894 kleinen Faulfirst von Malun, 1895 Rosswies mit Vontobel und Heer von Malun mit Abstieg vom grossen Faulfirst auf Malun, 1896 Gipfel 2305 mit Vontobel von Malun. 1895 und 1896 haben die in der Clubistenwelt wohlbekannten Kletterer Dr. Gröbli und Veitl dieses Gebiet mit ihren Besuchen beehrt. Dr. Gröbli hat die Höhenangaben der Karten geprüft und auch nicht richtig gefunden. Er hat meine Behauptung, dass Gamsberg und Faulfirst nicht die auf den Karten angegebenen Differenzen 2363, 2385 bezw. 2413 aufweisen, bestätigt. Geologisch haben seiner Zeit Escher und Mösch, in den letzten Jahren Ludwig, Sektion St. Gallen, dieses Gebiet erforscht und beschrieben. Versteinerungen findet man viele in dem Thälchen zwischen grossem und kleinem Faulfirst, in das man rechts von der ausdauernden Schneezunge von Malun aufsteigt. Trotz der südlichen Lage und der relativ geringen Höhe vergeht der Schnee auch am Fusse des Gamsberg nie. In der Flora dieses Gebietes ist merkwürdig, dass das Edelweiss in den östlichen Gipfeln, vom La Gauschla bis zum Gipfel 2305 sehr häufig, in den westlichen, z.B. am Gamsberg, gar nicht vorkommt. Von den Alpenrosen kommt Rhododendron ferrugineum auf den Alpen, Rhododendron hirsutum auch im obern Berg vor. Der „untere Berg” weist eine üppige, fast südliche Vegetation auf. Am Fusse reifen Edelkastanien und Weintrauben. Es giebt kaum einen Wintermonat, in dem dort nicht blühende Pflanzen vorkommen. Aus der Tierwelt sind Gemsen hier ziemlich häufig. Früher waren Rudel von 30 und mehr nicht selten. In den letzten Jahren wurde ihre Zahl sehr vermindert. Im Herbst 1896 wurde für die östlichen Gipfel La Gauschla und Alvier der Bann aufgehoben. Gegenwärtig ist die Zahl der Gemsen in den Kurfirsten eine grössere, als in diesem Teile des Freibergs. Ich habe im Sommer 1896 zwischen Zustoll und Scheibenstoll 35 beisammen gesehen. Am Fusse der Gärtli hat man vor einigen Jahren eine Murmeltierkolonie angelegt, die sich seitdem vermehrt und verbreitet hat. Erwähnenswert ist aus dieser Gegend das immerhin seltene Vorkommen der Viper.

Die Unterkunftsverhältnisse in diesem Gebiet sind gute. Im Kurhaus Balfris findet man bei dem Clubgenossen Sulser sehr freundliche Aufnahme. In den Alpen Sennis und Malun sind die Alpknechte angewiesen, Mitgliedern des S.A.C. Nahrungsmittel und Nachtlager zu geben. Der beste Ausgangspunkt für dieses Gebiet ist die Eisenbahnstation Flums. Von da führt die Strasse am Fusse des St. Georgenberges, den Mösch eine Sphinxgestalt nennt, nach Berschis. „Droben stehet die Kapelle, schauet still ins Thal herab”, eine der ältesten noch stehenden Bauten der Schweiz, welche auf Kosten der Eidgenossenschaft erhalten wird. Fundort römischer Münzen etc. – Bei dem Clubgenossen Hobi zur „Linde” in Berschis kann sich der Tourist stets gute Wegleitung, auch kundige Führer und Träger verschaffen. Von Berschis gelangt man auf leichtem Wald- und Alpweg in 3 Stunden auf Sennis oder Malun und von dort in weitern 2-4 Stunden auf jeden beliebigen der zwölf Gipfel. Es lassen sich auch mehrere Gipfel an einem Tage machen. Sehr lohnend sind folgende Kombinationen: Goldloch – Gamsberg – Scheff – Kaltthäli – Sichelkamm – Culms – Wallenstadt, oder Sichelkamm – Voralpsee – Buchs, Rosswies – Sichli – kleiner und grosser Faulfirst – Gärtli – Malun – Balfris u.a.

Misslich ist, von diesem Gebiete gar keine auch nur annähernd richtige Karte zu haben. Lange schon warten wir auf „Blatt Bärschis”. … Vor Jahren war dasselbe in den Publikationen des eidg. topographischen Bureaus als in Bearbeitung, in nächster Lieferung erscheinend bezeichnet; jetzt nicht einmal mehr das. Es wäre interessant, etwas Authentisches über die Entstehungsgeschichte des „Blatt Bärschis” zu erfahren. Hoffen wir, unser Warten werde endlich belohnt durch ein vollkommenes „Blatt Bärschis”, das die Clubisten anregt, einem der schönsten und interessantesten Gebiete unseres Schweizer Vaterlandes endlich auch die verdiente Beachtung zu schenken.

(Quelle: S. A. C. Jahrbuch 1896. J. B. Stoop, Sektion Piz Sol)

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