Über Waldverhältnisse und Holztransport im Prätigau

… Die Rindengewinnung hat zwar bedeutend abgenommen. Die Rinde kann nur gut entfernt werden, wenn das Holz sich im Saft befindet; zu dieser Zeit geschlagen, ist es jedoch weniger schön und dauerhaft. Es kommt deshalb wenig Holz zum Entrinden für die Gerber, und diese klagen bereits, dass es immer schwieriger werde, den Rindenbedarf im Inland zu decken.

… Weil viel Holz ungeschnitten aus dem Lande weggeführt wird, geht an den Sägspänen viel gutes und billiges Streuematerial verloren. Es ist wirklich schon in dieser Hinsicht zu bedauern, dass nicht mehr Holz im Produktionslande selbst geschnitten wird. Es sind zwar einige gut eingerichtete Sägen im Betriebe; immerhin geht noch ein grosser Teil auf auswärtige Sägemühlen.

… Das Streuesammeln und Mähen bringt dem Wald begreiflicherweise Nachteil. Allein vielerorts ist z. B. das „Streuenen” und „Lauben” ein Bedürfnis für den Betrieb der Landwirtschaft, indem hierfür kein oder nur ungenügendes Streuematerial zur Verfügung steht. Man sucht zwar auch hier bessere Ordnung einzuführen.

… Viel Nachteiliges für eine rationelle Waldkultur bringt ferner der Weidgang, und zwar besonders derjenige der Ziegen. Man kann diesen natürlich nicht unterdrücken; aber man sollte darauf halten, dass, wo junger Wald sich befindet, die Ziegen nicht hinkommen, bis die Pflanzen ihren naschhaften Zähnen entwachsen sind.

… Der Wald zählt nicht nur unsere Haustiere zu seinen Feinden, sondern er findet solche in jeder Familie der Tierwelt. Das sonst harmlose Reh ist z. B., wenn es zahlreich auftritt, ein grosser Schädling des Waldes; es hat nämlich die gleichen schlimmen Eigenschaften wie seine Verwandte, die Ziege, und ist daher ebenfalls nicht die Freundin des Forstmannes. Sogar Hirsche bringen jungen Waldbäumen Schaden, indem sie mit ihrem Geweih die Rinde an denselben wegschälen. Der Feinde im Tierreich wären noch viele anzuführen — wir erinnern nur noch an den Borkenkäfer, die gefürchtete Nonne, die sich zwar glücklicherweise bei uns noch nie einfand, und an die Miniermotte, welche unsere Lärchenwälder manchmal ganz entstellt — und auch in der Pflanzenwelt giebt es solche (Pilze), allein wir können uns mit ihnen nicht befassen. Wir wollen uns dagegen noch kurz mit dem Hauptfeind des Waldes, der aber zugleich auch sein Hauptfreund ist, dem Menschen, beschäftigen.

Das planlose, willkürliche Abholzen der Wälder hat, seitdem die Forstgesetze eingeführt sind, zwar aufgehört; immerhin wird noch viel Holz zwecklos geschlagen, das dann auf nicht geeignete Weise seine Verwendung findet, z. B. wird es, anstatt zu Bauholz benutzt, zu Brennholz verschnitten, oder man lässt es gar zu Grunde gehen. Es ist auch richtig, dass man bei uns viel Holz in den Wäldern verfaulen lässt. Dies trifft aber gewöhnlich nur in den entferntern Waldungen zu, und ist dann in Betracht zu ziehen, dass die Transportkosten öfters grösser sind als der Wert des Holzes. Man kann aber in diesem Falle doch nicht verlangen, dass die Leute noch Geld zusetzen. Das Abasten der Waldbäume behufs Streuegewinnung kommt noch hin und wieder vor, doch nicht mehr so oft wie ehedem; auch das Schwämmen (Wegschälen der Rinde), damit die Bäume absterben und Weide wachsen könne, hat merklich abgenommen, und vom Schälen der Stämme zur Harzgewinnung hört man sozusagen gar nichts mehr. Das Abbrennen ganzer Waldstrecken, um Pottasche zu erhalten, was ehedem der Fall war, hat aufgehört. Dagegen brauchen die vielen Schindeldächer eine Unmasse von Holz, und zwar wird dazu die glätteste und beste Ware verwendet. Die Schindeldächer sind ein notwendiges Übel, das man zwar verringern, aber nie ganz fortbringen kann. Mit dem Holzfrevel ist es ziemlich besser geworden; freilich wird im geheimen noch mancher Baum ungezeichnet bei Seite geschafft. Es ist wirklich schwierig, allen Leuten das Bewusstsein beizubringen, dass das Holzfreveln nicht sein sollte. Dass diese Untugend noch so blüht, kommt wohl hauptsächlich von folgendem her. Früher wurde der Wald bei uns sozusagen gar nicht gewertet. Von einer Holztaxe war keine Rede; jeder ging nach Belieben in den Wald und nahm Holz, so viel er wollte. Es betrachtete sich ein jeder als unumschränkten Eigentümer des Waldes, und diese Anschauung wirkt immer noch nach. Wir können sagen, dass derartige „Rechtsansichten” bei vielen in Fleisch und Blut übergegangen sind, was übrigens auch bei der Jägerei, wo der Frevel ebenfalls noch „blüht”, zu beobachten ist. Wie bemerkt, wird es mit dem Holzfrevel immer besser, und es wird dazu kommen, dass er zur Seltenheit wird. Viel wird zur Besserung auch die gemeinschaftliche Aufrüstung des Losholzes, die nun allgemein eingeführt werden soll, beitragen.

Früher musste, wie angeführt, für das aus dem Gemeindewalde bezogene Holz keine Taxe entrichtet werden. Später wurde eine kleine Auflage erhoben, doch in keinem Verhältnis zum Holzwerte. Erst in letzter Zeit brachten vermehrte Auslagen im Gemeindehaushalte – bei uns namentlich die sogenannten Bahnschulden (Subventionen für die Linie Landquart-Davos) – es mit sich, dass die Holztaxen erhöht wurden. Damit verbindet sich indessen auch eine bessere Bewirtschaftung des Waldes und geordnetere Zustände bei der Gemeindeverwaltung. Und wenn die Bahnsubventionen hierin eine Besserung bewirken, so ist das Geld schon darum nicht weggeworfen.

Wir sind von unserem Thema abgekommen; kehren wir zum Walde zurück. Wir möchten noch solchen Clubgenossen, die unsere Verhältnisse nicht kennen, mitteilen, auf welche Weise bei uns das Holz aus den abgelegenen Waldungen bezogen wird. Um dasselbe zur Verwertung zu bringen, muss es „geführt, gerieset oder geflösst” werden. Früher, bevor wir Strassen in die Thäler hatten, war das Flössen fast das einzige Mittel, den Holzreichtum nutzbar zu machen, während jetzt das Führen in den Vordergrund tritt, was auch gut ist, indem man so das Holz viel besser verwerten kann. Anstatt kurzer Stücke, die nur zu Brenn- und Schindelholz verwendbar sind, erhält man sogenannte Blöcker von sechs und mehr Meter Länge; das Holz bleibt zudem unbeschädigt, und man riskiert nicht, ganze Partieen durch Hochwasser zu verlieren, wie es beim Flössen öfters vorkommt. Die Mehrkosten zahlen sich bei dieser Bezugsweise vielfach.

Bevor das Holz geschlagen werden kann, muss der Eigentümer desselben hierzu die kleinrätliche – in Zukunft die regierungsrätliche – Bewilligung nachsuchen. Zu diesem Zwecke muss der Kreisförster die Stämme anzeichnen und abschätzen; er hat ferner der Regierung ein bezügliches Gutachten einzureichen, auf welches hin diese die Bewilligung versagt oder erteilt und gewöhnlich noch verschiedene Bedingungen daran knüpft, wie z. B. Anlegung eines Forstdepositums behufs Waldkulturen, Erstellung von Waldwegen etc.

Das Holz wird hierauf, namentlich wenn Gemeinden gehörend, gewöhnlich auf eine Versteigerung gebracht, bei welcher allerlei Machinationen vorzukommen pflegen. Es ist die sogenannte Gant jedenfalls noch ein wunder Punkt, der einer Sanierung bedürftig wäre. Meistens wird das Holz im Spätherbst geschlagen – es ist für die Dauerhaftigkeit nicht ratsam, dasselbe im Sommer zu fällen – hierauf wird es entrindet und in Stücke von cirka 5 ½ m verschnitten. Diese werden zu kleinen Haufen zusammengebracht und mit einem „Paluog” (Einschnitt im Holz zum Befestigen auf dem Schlitten) versehen. Inzwischen wird der Winterweg erstellt. Es sind dies cirka 1 m breite Wege, zum Teil in den Boden eingegraben, hin und wieder auch mit Holz (Gipfel und Äste) erstellt. Die Hauptsache für einen solchen Weg ist dann Schnee und Kälte; ohne diese wäre er unpraktikabel. Solche Wege werden mitunter vom Thale bis in die Alpen angelegt und erreichen dann eine Länge von mehreren Stunden; sie kosten jedoch in diesem Falle auch einige Tausend Franken. Sie führen über jähe Abgründe und Schluchten und übersetzen solche öfters auf kühn angelegten Brücken. Im Schiersertobel (Salgina) wurden z. B. in diesem Winter 1892/93 Brücken von 400 bis 500 m Länge erstellt, die mehrere Hundert „Tramen” erforderten. Ein Fremdling der Berge kann kaum begreifen, dass es möglich ist, auf so primitiver Weganlage wahre Holzkolosse, wie man nicht selten sieht, zu führen.

Bevor wir jedoch das Führen des Holzes beschreiben, wollen wir noch kurz betrachten, wie dasselbe zugerichtet (aufgerüstet) wird. Das Holzfällen wird von inländischen Arbeitern und auch von Italienern aus dem obern Veltlin (Sondalo sendet allein gegen hundert Waldarbeiter aus) besorgt. Die Deutsch-Tiroler sind jetzt nicht mehr so zahlreich anzutreffen, wie früher. Die Leute müssen eine gewisse Übung besitzen, und auch hier kommt derjenige, welcher sein Handwerk kennt und die sogenannten Kniffe weiss, besser weg. Die Hauptwerkzeuge des Holzarbeiters sind: eine breite Axt, der Zapin und die Waldsäge. Als Wohnung bauen sich die Holzer gewöhnlich eine Hütte (Schröterhütte). Diese besteht aus aufeinander gefügten rohen Holzstämmen und ist mit Schindeln gedeckt; sie hat eine Thüre, durch welche man nur gebückt ein- und ausgehen kann; an der Hütte befinden sich weder Fenster noch Kamin, und der Rauch kann nur durch die Öffnungen zwischen den aufeinander gelegten Balken einen Ausweg finden. In der Hütte ist ein Lager mit spärlichem Riedgras und ein langer Feuerherd (Feuerwagen) bestehend aus einem Holzgerüst, das mit Steinplatten ausgefüttert ist; um denselben herum sind abgeplattete Holzstämme zum Sitzen angebracht. Von Luxus ist da natürlich nichts zu sehen. Das Lager ist hart und enthält gewöhnlich kleine, aber schlimme Insassen. Wenn gekocht wird (fast jeder kocht für sich selbst), entsteht eine Hitze, welche die Backen brennen macht, und ein Rauch, der die Augen „übergehen” lässt. Es ist in der Hütte während dieser Zeit für einen „Uneingeweihten” kaum zum Aushalten, und doch sind die Holzer zufrieden und vergnügt. Freilich braucht es für eine solche Lebensweise wetterfeste, gesunde und abgehärtete Naturen. Es wird dreimal gekocht und gegessen: am Morgen früh vor sechs Uhr, um 12 Uhr und abends nach eingebrochener Dunkelheit; von einer Vesper- oder Brotzeit wissen unsere Waldarbeiter nichts. Die Kost besteht gewöhnlich aus Mehl, Polenta und Kochfett; in neuerer Zeit wird auch Kaffee und Chokoladepulver gesotten. Branntwein wird auch mehr oder weniger konsumiert. Während der Nacht stecken sich die meisten in einen Sack oder unter eine Decke; einer schläft dicht neben dem andern. Ist es sehr kalt, so wird das Feuer stetsfort unterhalten; das Holz braucht man ja nicht zu sparen. So leben diese Leute wohl ähnlich unsern Vorfahren, den Höhlenbewohnern, sind dabei aber ebenso vergnügt und glücklich wie solche, die in seidenen Betten schlafen und denen aller Luxus zur Verfügung steht.

Wir wollen die Holzarbeiter nicht nur bei der Ruhe, sondern auch bei der Arbeit betrachten. Hier sägen einige die Stämme um; dort zerschneiden andere die gefällten Stämme in „Blöcker” oder entrinden dieselben, und eine weitere Abteilung bringt die Blöcker auf Haufen. Der zu fällende Stamm wird möglichst tief unten quer durchsägt. Ist die Säge ein Stück weit hineingedrungen, so wird auf der entgegengesetzten Seite eingehauen und werden Keile in den Schnitt getrieben. Auf diese Weise kann man den Baum so ziemlich fällen, wohin man wünscht. Das Fällen der Stämme ist eine gefährliche und anstrengende Arbeit, und man kann nur die besten Arbeiter dazu verwenden. Zum „Putzen” der Stämme sind die breiten Äxte besonders geeignet, und es verstehen die Italiener diese Arbeit im ganzen besser als die Deutschen. Zum Sägen und Riesen sind indessen die inländischen Holzer und die Tiroler tauglicher.

Ist das Holz fertig „gerüstet” und der Winter mit seiner Kälte da, so beginnt das Führen des Holzes. Am Rande des früher flüchtig hergestellten Weges werden vorerst die sogenannten „Verleggenen” (von Vorlegen) gelegt. Es sind dies kleinere Blöcker, die, verbunden mit festgetretenem Schnee, den Weg bilden helfen. Sie thun den gleichen Dienst wie an einer Strasse die Randmauern oder Barrikaden, nämlich, sie gestalten das Fahren auf dem Wege sicherer, machen aber zugleich einen Teil desselben aus. Der Weg bekommt dadurch eine hohle Form, was notwendig ist, damit die Schlitten mit den geladenen Blöckern nicht ausgleiten. Zur Unterhaltung und Verbesserung des Weges sind besondere Leute (Weger) da und kommen ganz andere Grundsätze zur Geltung, als bei gewöhnlichen Wegen und Strassen. Im Prätigau wird das Holz, wenn immer möglich, geführt; gerieset wird nur, wo das Führen nicht anwendbar ist. Es wird dadurch, wie früher bemerkt, fast nichts geschädigt; einzig, bei schlechtem Schlittweg, kann das Block hinten, wo es auf dem Boden aufliegt, etwas abgeschliffen werden. Mehr Schaden kann das Holz durchs „Ankunteln” erleiden. Es werden hierbei zwei Blöcker durch eine kurze Kette, an deren beiden Enden je ein keilförmiges Eisen angemacht ist, aneinander festgehalten. Durch das Eintreiben dieser Keile wird nun das Holz öfters gesprengt; doch kommt das Ankunteln nicht überall vor.

Morgens in aller Frühe, gewöhnlich um 4 – 5 Uhr, aber öfters auch früher, spannt der Holzfuhrmann sein Pferd in den Bockschlitten ein. (Es sind dies eigens fürs Holzführen konstruierte Schlitten, nur etwa ein Meter lang. Sie bestehen aus zwei Sohlen (Läufe), einem Querbalken (Pfulf), der mit zwei Spangen mit der sogenannten Bruoch (gebogenes Holz) – vorn zwischen den ebenfalls gebogenen Hörnern (Läufen) – verbunden ist. Der Schlitten besteht ausschliesslich aus Holz, meistens Buchenholz.) Jeder der Fuhrleute will der Erste sein; denn nicht nur gehört dies zur Holzfuhrmanns-Ehre, sondern er hat dadurch einen grossen Vorteil für den ganzen Tag. Während die weiter hinten befindlichen Fuhrleute durch jedes Hindernis („Umtrölen”, Steckenbleiben etc.) in Mitleidenschaft gezogen werden, können die vordern rasch vorwärts gehen und haben somit früher Feierabend. Mitunter wird dabei das Frühaufstehen übertrieben; die Nacht wird zum Arbeitstag gemacht und Mann und Pferd haben keine rechte Ruhe. Das Holzführen ist eine schwierige, gefährliche Arbeit, namentlich bei schlechter Weganlage oder grossem schwerem Holze. Es braucht dazu fähige Fuhrleute mit gewohnten, flinken Pferden; Unglücksfälle kommen indessen wider Erwarten selten vor. Trotzdem das Holzfuhren anstrengende Arbeit verlangt, ist es doch die Lieblingsbeschäftigung des Fuhrmanns; freilich wird er für diesen Dienst auch am besten bezahlt, meistens Fr. 9.- per Tag für Mann und Pferd.

Welche Bedeutung das Holzführen für das Prätigau hat, geht schon daraus hervor, dass z. B. einzig im Jahr 1891 12,000 Blöcker aus den Alpen ins Land geführt wurden.

Das Flössen wird im Prätigau wenig praktiziert und nur bei Brennholz. Früher wurden auch Blöcker durch die Landquart geflösst; seitdem dieselbe jedoch mit kostspieligen Wuhren eingedämmt ist, darf nicht mehr geflösst werden. Wir unterlassen es, das Flössen genauer zu beschreiben, und treten auch auf das Riesen nicht näher ein, da wir hierüber wenig Unbekanntes anzubringen wüssten; dagegen fügen wir zum Schlusse noch einige Schilderungen anderer Beobachter unserer eigenartigen Holztransporte bei.

Herr Imhof hat im Itinerarium für 1890/91, S. 111 ff., auf welche wir hier verweisen, eine sehr interessante Schilderung der im Winter 1889/90 vorgenommenen Holzausbeutung im Schraubachtobel geliefert.

Ein anderer Bewunderer dieser Holztransporte schrieb darüber in einem hiesigen Blatte: „Aus dem Schierser Tobel wird gegenwärtig (Januar 1890) wieder eine grosse Partie Blöckerholz transportiert. Diese Holzfuhren sind dem Prätigau eigen; nirgends sonst finden sie in solchem Masse statt. Es bedarf hierzu besonderer Einrichtungen (Schlitten u. s. w.); aber auch Mann und Pferd müssen bei dieser Beschäftigung sich auskennen, sonst geht es schlimm. Nachts 3 Uhr schon wird eingespannt, und bei der Morgendämmerung langen die Fuhrleute auf den ca. fünf Stunden entfernten Holzladungsplätzen in der Alp an. Es wird rasch aufgeladen, ein bis drei Stück auf das Pferd, je nach der Grösse der Hölzer, und nun geht’s in schnellem Tempo in langer Reihe über Abgründe und Schluchten hinaus ins Thal. Hie und da giebt es auch einen „Trol”; der Schlitten wirft um und mitunter das Pferd ebenfalls, doch hilft man sich gegenseitig, und gewöhnlich ist alles bald wieder im Geleise. Bis jetzt ist kein grösserer Unfall passiert, wiewohl kritische Situationen schon vorgekommen sind. Der lange Holzweg wurde speciell für diese Holzfuhren erstellt; geht der Schnee weg, ist auch der Weg dahin, und man spürt kaum mehr, wo er hindurchgeführt hat.”

Ferner: „Aus dem Schierser Tobel kamen diesen Winter (1891/92) nicht nur Blöcken von 85 cm Durchmesser, sondern sogar von 120 cm; solche von 100 cm und mehr zählte man nach Dutzenden. Im ganzen werden über 5000 Stück nur aus diesem Tobel herausgeführt. Gegenwärtig sind über hundert Pferde allein auf diesem Holzwege. Im ganzen Prätigau beschäftigen sich aber über zweihundert Pferde mit der Holzfuhre; denn auch an verschiedenen andern Orten, wie z. B. in Seewis, Valzeinathal, Fideris, Saas etc., wird Holz geführt. Auch dieses Jahr werden über 10,000 Blöcker auf den Markt kommen. Wir brauchen indessen nicht sehr darum besorgt zu sein, man reute im Prätigau die Waldungen aus; denn die Vorräte sind noch gross und der Nachwuchs bedeutender als je. Das Prätigau ist nicht nur ein Thal der Wiesen, sondern auch ein Thal der Wälder par excellence.”

Wir führen schliesslich noch eine Schilderung Roseggers im „Hoch vom Dachstein” über das „Riesen” an, indem bei uns ähnliche Verhältnisse sind, wenn auch das Riesen bei uns nur ausnahmsweise zur Anwendung kommt.
„Hoch von einem Bergschlag nieder ging eine neue Holzriesen, in deren Rinne glatte, wuchtige Blöcke herabglitten. Sausend und dröhnend kam das niederwärts auf steiler Riesen, die in grossen Bogen sich wand, über Hänge und Schluchten gebruckt war und so sorgfältig und wohlberechnet gemuldet, dass kein Block ausspringen konnte. So kam das herab bis zu Thale, wo die Riesen sachte sich ebnete und die schwersten Blöcke fast sanft aufs Erdreich warf, dass die Blöcke dann von etlichen Männern beiseite geschafft werden konnten. Oben sah man erst die ganze Kühnheit des Baues der Holzleitung. Streckenweise strich sie in schönen Kurven an dem steilen Abhang dahin, dann setzte sie, auf schlanken Stämmen wie auf Strohhalmen gestützt, über Waldwipfel und Abgründe, in deren Tiefen Wasser rauschten.”
von U. Obrecht (Sektion Scesaplana)

(Quelle: Jahrbuch 1892)

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