Die das Toggenburg durchströmende Thur verleiht der Thalstrasse die Eigenthümlichkeit, dass sich dem Wanderer fast bei jeder Krümmung ein neues Tableau entfaltet, mehrere nahe Höhepunkte verschaffen aber die Uebersicht in eine der grösseren Thalmulden und leiten den Blick zugleich auf die formenreiche Bergeinfassung. Ein solcher Höhepunkt ist der Rosenbühl. …
… hat eine künstliche Forellenzucht ins Werk gesetzt, die sowohl von Seiten der culinarischen Aesthetik als vom volkswirthschaftlichen Standpunkt wichtig erscheint. … Der sich steigernden Nachfrage nach Bachforellen soll nun die neue Unternehmung in dem eine Stunde von Ebnat entfernten Steinthal am Fusse des Speer entgegenkommen. …
Auf dem Weg zum Speer hinauf erreicht man, etwa in zwei Stunden von Ebnat aus, eine Alp, welche den Namen Tanzboden führt. …
… Eine Merkwürdigkeit ist bei Krummenau die «Naturbrücke». Wenn man eine kleine Strecke auf der Landstrasse vorwärts gegangen ist, muss man über den Wiesenabhang zu der rauschenden Thur hinabsteigen, welche hier nach einem langen Kampfe mit den ihr im Wege liegenden Felsmassen zu einem seltsamen Compromiss gekommen ist. Sie hat sich unten Bahn gebrochen, das Gestein gesprengt und die scharfen Kanten geglättet, aber einen breiten Felsenrücken über sich gelassen, der eine feste Brücke bildet, welche mit Rasen bedeckt ist, und Tannen und Sträucher umher geben dem Bilde, das ein Bild tausendjähriger Ruhe und rastloser Bewegung zugleich ist, eine ernstschöne Einfassung. …
… Wie von Ebnat, so lässt sich von Nesslau der Speer, den man wohl den Rigi der Ostschweiz genannt hat, unschwer in 3 bis 4 Stunden ersteigen und bei heiterer Luft hat man auf seiner Spitze (1956 M.) eine reiche Aussicht auf den Walensee und ins Glarnerland hinüber, auf einen grossen Theil des Zürichsees, auf das ganze Toggenburg von Wildhaus bis Wyl, in den Thurgau und auf den Bodensee, und die Tirolerberge mit blinkenden Zinnen und Kuppen, das Panorama vom Säntis bis zu den Berneralpen bilden den majestätischen Grenzwall. …
… Ist man eine Weile von Nesslau die bequeme Strasse hinan gegangen, so fasst der Rückblick wieder eine der schönen Thalmulden, in denen die emsigen Toggenburger ihre Wohnsitze konzentrirt und Dörfer gebaut haben, gegen welche manche Städtchen anderer Gegenden ärmlich und unschön sich ausnehmen; wir haben zu unsern Füssen das anmuthige Kirchdorf und in seinem Bereich vom Stockberg bis zum Speer hinüber sind unzählige Hütten an den Bergabhängen und auf den Alpen zerstreut, an denen man erkennt, dass neben der Industrie im Thal die Alpenwirthschaft ihre alte Bedeutung behauptet.
Bald nimmt die Gegend einen andern Charakter an, sie wird einsamer und wilder, schäumend arbeitet sich die Thur aus einer Felsenspalte heraus und stürzt sich über eine jähe Wand; die Bergformen werden kühner und ein rechter Vexirberg ist der Goggeien (5437’), welcher in kurzen Zeiträumen so sehr seine Gestalt verändert, dass man ihn kaum wieder erkennt; bald ist er in seiner Masse breiter, bald schmäler, bald in eine Spitze, bald in eine Kuppe auslaufend; zuletzt erkennt man aber, dass er zwei Hörner hat, welche die Form von Krebsscheeren annehmen.

Das Thal wird enger, wo wir dem Dorfe Stein näher kommen, und überraschend schön ist die Klus, wo zwischen den nahe an einander gerückten Bergwänden die schäumende Thur und die Strasse nur eben Platz haben.
(Quelle: Wanderstudien aus der Schweiz. Erster Band. Von Eduard Osenbrüggen. Fr. Hurter’sche Buchhandlung, Schaffhausen, 1867)